Röslein stach - Die Arena-Thriller
auch Antonia hatte die intensiven Blicke bemerkt, mit denen Robert Selin angesehen hatte, als er heute Nachmittag nach Hause gekommen war. Beim gemeinsamen Abendessen vorhin hatte er sie kaum aus den Augen gelassen. Das musste auch Katie mitbekommen haben, sogar ein Blinder hätte das gesehen. Ohne das Ergebnis ihres Gesprächs abzuwarten, war Robert noch vor dem Essen verschwunden und eine gute Stunde später mit dem Lieferwagen seines Sozialdienstes und einer Matratze im Laderaum wiedergekommen.
Antonia gefiel diese Entwicklung der Dinge ebenso wenig wie Katie. Aber da Antonia diejenige gewesen war, die Selin das Zimmer angeboten hatte, musste sie nun wohl oder übel in die Rolle ihrer Fürsprecherin schlüpfen, um nicht unglaubwürdig und launenhaft zu wirken. Außerdem, fand Antonia, wäre es schäbig und egoistisch, wenn sie das Mädchen fortschicken würde, nur weil sie und Katie eifersüchtig waren. Und so hatten sich ziemlich rasch zwei Fronten gebildet: Katie und Matthias waren gegen Selins Beherbergung, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, Antonia und Robert dafür.
Sie saßen in der Küche und hielten Kriegsrat, während sich Selin im Dachzimmer befand. Für heute Nacht, das stand bereits fest, durfte sie auf jeden Fall schon mal bleiben.
»Leute, wir können doch nicht dulden, dass sie in die Türkei verfrachtet und in eine Zwangsehe geschickt wird«, sagte nun Robert. »Das ist doch Wahnsinn. Ich meine, denkt doch mal nach! Wir engagieren uns hier für Tierrechte – außer Katie, die nach wie vor Döner isst…«
»Das ist nicht wahr«, fuhr Katie mit ihrer blechernen Stimme dazwischen. »Ich esse kaum noch Döner. Und keine Wurst mehr und nur ganz selten einen Big Mac. Ich würde es ja ganz sein lassen, wenn ich bei euch mitmachen dürfte…«
»Das ist jetzt ein anderes Thema«, unterbrach Robert.
»Wieso? Du hast doch davon angefangen«, widersprach Katie. »Und übrigens braucht ihr auch gar nicht mehr so heimlich zu tun, ich weiß, was ihr unten im Keller liegen habt.«
Die anderen drei blickten sich erschrocken an.
»Puff!«, sagte Katie und grinste.
»Weißt du, was, Katie? Du bist eine ganz üble Schnüfflerin…«, begann Robert.
»Wieso? Ich habe doch nur nach einer Luftpumpe gesucht.«
»Unter den Briketts, ja?«, giftete Matthias.
Ein besseres Versteck war ihnen nicht eingefallen und bei dieser Gelegenheit hatte Antonia das erste Mal den Keller betreten. Es war wirklich ein Keller, kein ordentlich gefliestes Untergeschoss wie in Ralphs Haus. Eine steile Holztreppe führte von der Küche aus hinab, die Mauern bestanden aus unverputzten roten Backsteinen, der Boden aus festgestampfter Erde, über die rohe Bretter gelegt worden waren, die als Laufstege dienten. Die niedrigen Fenster waren teilweise zerbrochen und von dicken grauen Spinnweben verhangen. Garantiert war dort unten seit Jahrzehnten nicht mehr sauber gemacht oder aufgeräumt worden. Ein paar rostige Werkzeuge hingen an einem Brett an der Wand, uralte Farbdosen und ein Kohleneimer samt Kohlenschaufel lagen davor. Es roch moderig. Im rückwärtigen Teil gab es eine hölzerne Tür, auf der Schutzraum geeignet für 19 Personen stand. Robert hatte sie für Antonia geöffnet. Dahinter lag ein zwei Meter langer Gang, der vor einer Mauer endete. Die Mauer sah aus, als hätte man sie in neuerer Zeit hochgezogen. »Was ist dahinter?«, hatte Antonia gefragt.
»Vermutlich ein weiterer Keller.«
»Und warum ist er zugemauert?«
»Keine Ahnung«, hatte Robert gegrinst. »Besser, man weiß nicht alles. Alte Häuser haben manchmal sehr dunkle Geheimnisse.«
Nachdem sie die Kiste abgestellt und nachlässig mit Briketts umstellt hatten, hatte Antonia beschlossen, dass sie dort unten wirklich nichts verloren hatte. Gegen den Keller war das Mörderzimmer geradezu harmlos. Wenn sie sich seitdem allein in der Küche aufhielt, vergewisserte sie sich, dass die Kellertür verschlossen war.
»Jetzt kriegt euch wieder ein«, sagte Katie beschwichtigend. »Ich würde euch niemals verraten. Ich finde es nur gemein, dass ich nicht mitmachen darf, wo jetzt sogar Toni…«
»Schluss jetzt!« Robert schlug dabei mit der Faust auf den Tisch. »Darüber reden wir ein andermal, das hat nichts mit Selin zu tun.«
»Hat es doch«, erwiderte Matthias. »Was, wenn sie mitkriegt, was hier abgeht? Ich habe keine Lust, wegen ihr in den Knast zu wandern Ein Anschlag mit geklautem Dynamit – ist euch klar, wie gefährlich das für uns werden kann? Bei
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