Röslein stach - Die Arena-Thriller
ja im Esszimmerkamin verbrennen. – Aber erst, nachdem ich sie gelesen habe!«
16.
Endlich Wochenende! Katie saß auf der Bank hinter dem Schuppen. Sonnenstrahlen kitzelten ihr Gesicht. Sie war erschöpft und gähnte. Fast wäre sie heute in der Berufsschule zweimal während des Unterrichts eingeschlafen. Kein Wunder, die Woche war anstrengend gewesen und gestern Abend war sie erst um zwei Uhr aus der Kneipe gekommen. Aber wenigstens hatte es sich gelohnt. Sie hatte sich sogar für den Heimweg ein Taxi geleistet. Der Schreck vom Sonntagabend saß ihr immer noch in den Gliedern, seitdem hatte sie Angst, nachts allein unterwegs zu sein. Sie hatte niemandem von dem Vorfall erzählt, nicht einmal Antonia und auch Robert nicht, der sie an jenem Abend vor der Haustür noch fast zu Tode erschreckt hatte. Aus irgendeinem Grund fiel es Katie schwer, darüber zu sprechen. Ab und zu machte sie sich Gedanken, ob der aufgeschlitzte Fahrradreifen – der Mechaniker der Fahrradwerkstatt hatte von einem Schnitt mit einem Messer gesprochen – nur ein Zufall war oder ob dieser Mann ganz gezielt ihr Fahrrad ausgesucht hatte, weil er es auf sie abgesehen hatte. Weil er wollte, dass sie zu Fuß nach Hause ging. Vielleicht war es sogar einer, der sie aus der Kneipe kannte. Jedenfalls hatte sie gestern Abend alle älteren männlichen Gäste mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. Vielleicht sollte ich mir einen anderen Job suchen, dachte sie. Aber was blieb schon übrig, außer Kneipe, wenn man nur am Abend oder am Wochenende Zeit hatte?
Die drei Jungs, die sie vor ihrem Verfolger gerettet hatten, hatte sie vorhin am Kiosk getroffen. Heute waren sie nüchtern gewesen und gaben sich relativ gesittet. Der Kerl war ihnen leider entwischt, hatte Sascha, der Anführer, zugegeben. Katie hatte sich noch einmal bedankt und Sascha hatte großspurig gemeint, sie könne ihn jederzeit anrufen, wenn sie wieder in Schwierigkeiten stecke. Er hatte darauf bestanden, ihr seine Handynummer zu geben, und um ihn nicht zu beleidigen, hatte Katie sie vor seinen Augen in ihr Handy getippt.
Jetzt drehte sie sich eine Zigarette aus dem Tabak, den sie am Kiosk gekauft hatte. Eigentlich rauchte Katie so gut wie gar nicht, denn Rauchen, das sah man an ihrer Mutter, machte die Haut faltig und schlaff, aber die Jungs in der Firma drehten alle und sie wollte ein bisschen üben, um bei Gelegenheit mit ihrer Fertigkeit zu glänzen. Außerdem hatte Robert sie neulich, als sie es mit seinem Tabak versucht hatte, aufgezogen, ihre Zigarette würde aussehen wie eine Schlange, die ein Schwein verschluckt hat.
Für den Moment genoss sie es, allein zu sein. Der Garten wurde von Tag zu Tag schöner, seit Herr Petri hier zugange war. Vor allem wirkte er auf einmal doppelt so groß wie vorher. Für heute hatte er offenbar schon Feierabend gemacht, er war nirgends zu sehen, nur die große Heckenschere, mit der er dem Buschwerk zu Leibe gerückt war, lehnte noch neben der Bank. Er musste sie vergessen haben, denn sonst war der Mann die Ordnung selbst. Von dieser Selin war auch nichts zu sehen. Als Katie nach Hause gekommen war, hatte sie laut gerufen, ob jemand da wäre, aber keine Antwort erhalten. Saß das Mädchen etwa in ihrem Dachzimmer und starrte die Wände an? Sie hatte ja weder Fernseher noch Computer. Ich würde irre werden, dachte Katie und: Vielleicht ist Selin es schon. Ein normaler Mensch hält so was doch nicht aus.
Ihre Zigarette war gut gelungen, fand Katie und sie wollte sie gerade anzünden, da hörte sie die Pforte am Eingang quietschen. Herr Petri hatte sie erst vor ein paar Tagen geölt, aber seit gestern fingen die rostigen Angeln erneut an zu kreischen. Wer war nach Hause gekommen? Egal. Katie wollte noch ein bisschen hier sitzen und die Sonne genießen. Es war ein schöner Platz, sogar das lästige und allgegenwärtige Verkehrsrauschen war hier hinten nur gedämpft zu hören. Es vergingen ein, zwei Minuten, dann ertönte plötzlich eine Stimme. Eine unbekannte Männerstimme. Katie konnte nicht alles verstehen, was sie rief, aber es hatte sich angehört wie »Aufmachen! Mach auf! Ich weiß, dass du da drin bist!«.
Katie zuckte zusammen. Sie ließ ihre Zigarette fallen, beugte sich nach vorn und lugte durch die Zweige des Holunders am Schuppen vorbei. Aber von hier aus konnte man nur den rückwärtigen Garten sehen, nicht die Haustür.
»… warne dich zum letzten Mal!«, schrie der Unbekannte. Vorher hatte er einen Namen gerufen, den Katie nicht
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