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Röslein stach - Die Arena-Thriller

Röslein stach - Die Arena-Thriller

Titel: Röslein stach - Die Arena-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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klar war, dass das sinnlos war. Wegen des Dauerrauschens der B6 würde der Mann ihren Atem nicht hören können. Aber das galt ebenso umgekehrt: Sie würde ihn nicht hören können, wenn er näher kam. Hier, im hinteren Teil des Gartens, war sie ihm ausgeliefert. Niemand konnte von außen hineinsehen, niemand würde ihre Schreie hören. Und wenn sie einen Fluchtversuch wagte? Jetzt, solange noch Zeit war? Vielleicht über den Zaun, zu dem leer stehenden Nachbarhaus und von dort aus auf die Straße. Wenn sie nur wüsste, wo er sich gerade befand – nicht, dass sie ihm noch direkt in die Arme lief. Sie musste es wagen, sie musste um die Ecke des Schuppens spähen. Los, Katie, tu was! Aber sie stand da, vor Angst wie gelähmt, und wagte kaum, einen Finger zu rühren. Vielleicht, so ihre Hoffnung, würde er hier hinten nicht nach ihr suchen. Er vermutete sie ja im Haus. Eher würde er doch versuchen, ins Haus zu gelangen, oder? Lieber Gott, lass ihn wieder abhauen, lass nicht zu, dass er mich hier findet, bitte, lieber Gott, bitte nicht!

17.
    Das Grab war bereits ausgehoben, der Erdhaufen befand sich hinter dem großen, breiten Gedenkstein, in den stilisierte Rosen eingemeißelt waren. Die Ränder der rechteckigen Grube waren sauber abgestochen und mit grünem Filz bedeckt, davor stand der schlichte schwarze Sarg. Mit dem weißen Blumenbukett darauf sah er sehr elegant aus. In einiger Entfernung lungerten zwei städtische Angestellte vor einem Minibagger herum und warteten darauf, das Grab zuschaufeln zu können.
    Der Pfarrer machte es kurz. »Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden. Unser Herr Jesus Christus möge dich auferwecken am Jüngsten Tag.«
    Robert verfolgte die Vorgänge mit unbewegter Miene, aber als der Sarg schließlich von vier schwarz gekleideten Männern an Seilen hinabgelassen wurde, bemerkte Antonia, dass er feuchte Augen hatte. Sie fand es rührend, dass er um eine alte Dame weinte, die er kaum gekannt hatte.
    Der Pfarrer hielt nun ein kleines Schäufelchen in der Hand. Damit warf er Erde auf den Sarg, was ein dumpfes Prasseln erzeugte. »Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub«, zitierte er und dann segnete er die Verstorbene und die Trauergemeinde. Noch mehr krümelige Erde und Blumen wurden auf den Sarg geworfen, auch Robert und Antonia hatten kleine Sträuße aus dem Garten mitgebracht, die sie nun in die Grube warfen. Antonia überkam dabei ein seltsames Gefühl, eine Art Weltschmerz, eine unbestimmte Trauer über all das Traurige, was das Leben mit sich brachte. Sie dachte an ihre Mutter, die sie nachher unbedingt noch einmal anrufen wollte. Vor lauter Freude über das neue Fahrrad hatte sie es vorhin ganz vergessen.
    Die Beerdigung war zu Ende, die Leute zerstreuten sich rasch. Nur Robert blieb nachdenklich vor der Tafel stehen und damit zwangsläufig auch Antonia.
    Robert seufzte und sagte bitter: »Das ist dann alles, was übrig bleibt: Erde, Asche und Staub.«
    Danach schwiegen sie eine Weile.
    Schließlich deutete Robert auf eine der Inschriften, die in den grauen Stein der Gedenktafel eingemeißelt worden waren und die Namen derer verkündeten, die hier schon begraben worden waren: Ingrid Kluge, geborene Riefenstahl. Die Goldbuchstaben glänzten noch frisch. Sie war erst im Februar letzten Jahres gestorben.
    »Das war ihre Tochter, hat sie mir erzählt«, erklärte Robert. »Und Sonja Kluge war ihre Enkelin.«
    Bei Sonja standen unter dem Namen die Daten: 15.6.1971 – 28.7.1991.
    Sie war nur zwanzig Jahre alt geworden, erkannte Antonia, und dennoch hatte ihre Mutter sie fast um zwanzig weitere Jahre überlebt. Und ihre Großmutter alle beide. Das Sterben war in dieser Familie völlig widernatürlich verlaufen.
    »Sonja Kluge ist das Mädchen, das in unserem Haus ermordet worden ist«, sagte Robert.
    »Im… im Dachzimmer?« Der Ausdruck Mörderzimmer, den sie sonst mit wohligem Schaudern oder auch mit einem ironischen Augenzwinkern benutzten, erschien Antonia auf einmal unpassend.
    Robert nickte.
    Etwas an seiner Haltung verriet Antonia, dass er dieses Mal keine Geschichten erfand. Die verblassten Goldbuchstaben ließen das, was Antonia bisher für eine gruselige Legende gehalten hatte, plötzlich verstörend real werden.
    Sie waren die Letzten an der Grabstätte, die Arbeiter, die neben ihrem Minibagger standen, blickten bereits ungeduldig zu ihnen herüber, also wandten sie sich zum Gehen.
    Apropos Dachzimmer – Antonia erschien der Zeitpunkt günstig, ein heikles

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