Röslein stach - Die Arena-Thriller
für ihre Zwecke denkbar schlecht. Es war Freitagabend und eine der wenigen lauen Nächte, die dieser regnerische Sommer zu bieten hatte. Der Himmel über der Stadt war zartorange gefärbt, über dem Friedhof hing ein prächtiger Vollmond. Die Straßenlaternen taten ein Übriges.
»Man hätte ihn genauso gut am helllichten Tag rüberkarren können, es macht kaum einen Unterschied«, murrte Katie.
Nun sah man die beiden über die Straße huschen, dann verschmolzen ihre Gestalten mit den Schatten der Bäume, die den Eingang des Friedhofs säumten. Dennoch blieben die Mädchen am Fenster stehen. Katie trug ein schwarzes Longsleeve. Antonia hatte ein dunkles T-Shirt an, sie würde nachher noch in eine schwarze Strickjacke schlüpfen und eine dunkle Wollmütze über ihr Haar ziehen.
»Hast du Gummistiefel?«, fragte Katie. Unwillkürlich sprach sie leise und auch Antonia antwortete mit gedämpfter Stimme: »Nein, aber Lederstiefel.«
»Arbeitshandschuhe?«
»Ja.«
Sie schwiegen eine Weile und starrten hinaus in die Nacht.
»Wo bleiben die nur so lange?« Antonia trippelte nervös von einem Fuß auf den anderen. Lodemanns Scheune aufzubrechen, war wesentlich schneller vonstatten gegangen, erinnerte sie sich.
»Vielleicht schauen sie noch nach, ob tatsächlich keiner auf dem Friedhof ist.«
So war es auch. Das bestätigte Robert, als er und Matthias nach endlosen zwanzig Minuten wiederkamen.
Es ging los: Matthias, der alle noch einmal ermahnte, während der ganzen Aktion kein überflüssiges Wort zu sprechen und natürlich sämtliche Handys abzuschalten oder besser noch hierzulassen, schob die Schubkarre auf die Nordseite des Hauses, die an das brach liegende Nachbargrundstück grenzte. Laternen- und Mondlicht wurden hier durch das Haus abgeschirmt, entsprechend dunkel war es. Eingerollt in den alten Teppich lag die Leiche hinter dem vergammelten Sofa. Sie hatten die Enden des Teppichs mit Schnur zugebunden, sodass das Ganze die Form eines riesigen Bonbons hatte. Die Jungs brachten die Schubkarre in Position, Katie und Antonia hielten sie an den Griffen fest, damit sie nicht kippte, und auf ein leises Kommando hoben Robert und Matthias den Leichnam hoch. »Verdammt, ist der schwer«, ächzte Robert.
»Pscht«, mahnte Matthias. Ohne dass es abgesprochen worden war, hatte er das Kommando und die Planung der Aktion übernommen. Und er hatte wirklich an alles gedacht: Mit einem Spanngurt wurde der Körper, der nun ziemlich steif zu sein schien, auf der Wanne der Schubkarre fixiert. Die Jungs schoben, die Mädchen trugen die Arbeitsgeräte: zwei Schaufeln, einen Spaten und einen Rechen, um hinterher ihre Fußspuren zu verwischen. Damit das Metall des Spatens und der Schaufeln nicht im Mondlicht aufblitzten, hatten sie sie mit grauen Müllsäcken verhüllt – auch eine Idee von Matthias. Auf den drei Stufen, die man von der Pforte bis zur Haustür überwinden musste, lag ein dickes Holzbrett als Rampe für die Schubkarre.
Der Trupp stoppte davor. Die Pforte stand offen, Robert trat hinaus auf die Straße, spähte ins Dunkel und lauschte, ob sich vielleicht ein Auto näherte. Dann, nach einer Minute, kam er zurück und wisperte: »Wir können.«
Vorsichtig rollten sie die Karre mit ihrer schweren Last über die improvisierte Rampe, dann durch die Pforte, die Antonia noch rasch zumachte, ehe sie weitergingen. Ein prüfender Blick, aber die Straße war noch immer leer.
»Los, schnell!«, flüsterte Matthias. Dies war der kritische Moment. Mit vereinten Kräften bewegten die Jungs die Schubkarre über die Fahrbahn und bis zum Friedhofstor, das Katie nun lautlos öffnete. Ohne anzuhalten, ging es weiter. Antonia war unheimlich zumute. Sie hatte es bisher stets vermieden, nachts auf Friedhöfe zu gehen. Äste ragten wie flehende Arme in den Himmel, Büsche und Grabsteine nahmen im schwachen Mondlicht seltsame Formen an, wurden zu Tieren, zu Fabelwesen, zu Monstern. Irgendetwas raschelte. Vielleicht eine Maus oder ein Igel. Eine Fledermaus kreuzte ihren Weg in wildem Zickzackflug. Eigentlich fehlt nur noch der Ruf eines Käuzchens, dachte Antonia und war froh, nicht alleine hier zu sein.
Frau Riefenstahls Grab lag im oberen, hinteren Teil des Bergfriedhofes, was für Robert und Matthias eine ordentliche Plackerei bedeutete. Hin und wieder mussten sie die Schubkarre abstellen, um auf dem ansteigenden Weg wieder zu Atem und zu Kräften zu kommen. Auf halber Strecke schob sich eine Wolke vor den Mond. Sie hatten
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