Röslein stach - Die Arena-Thriller
Natürlich musste sie ein paar Tage untertauchen! Aber nicht weil ihr Clan sie in die Türkei verheiraten will, sondern weil die Bullen sie suchen.«
»Vielleicht stimmt das mit der Zwangsheirat ja doch und sie brauchte eben dringend Geld«, wandte Antonia ein.
»Glaubst du das wirklich?«
»Nein.« Antonia seufzte: »Wenn das Robert erfährt…«
»Wieso Robert?«
»Hast du nicht gemerkt, wie der auf ihr Mandelaugengeklimper abgefahren ist?«
»Doch«, nickte Katie. »Willst du’s ihm erzählen?«
»Weiß ich noch nicht. Aber ich bin jedenfalls froh, dass Selin weg ist, sie war mir unheimlich.«
Katie nickte. »Mir auch.«
Stille trat ein. Antonia schaute in den blassblauen Himmel, über den sich ein von der Sonne erhellter Kondensstreifen zog. »Ich muss dir auch was sagen, Katie. Und das muss unbedingt unter uns bleiben!«
»Dein Schweigen gegen meins. Also, was ist los?«
»Der Typ, den du getötet hast…«
»Sag so was nicht!«, jammerte Katie. »Das klingt, als wäre ich eine eiskalte Killerin. Ich hatte Todesangst!«
»Ja, ist gut!« Antonia fuhr fort: »Der Typ war nicht wegen dir hier und ich glaube auch nicht, dass es der war, der dir am Sonntag nachgelaufen ist.«
»Und was macht dich da so sicher?«
»Er wollte zu mir.«
»Hä?«
»Der Tote ist Ralph Reuter, der Mann meiner Mutter.«
Erst jetzt, als Antonia es aussprach, wurde ihr endgültig klar, dass es Realität war. Fast so, als hätte der Anblick des Toten nicht dazu ausgereicht. Sie knetete ihre noch immer eiskalten Hände.
Katie blinzelte, als müsse sie ein Trugbild verscheuchen. »Wer?«, presste sie heraus.
»Der, der mich neulich angerufen und ins Telefon gebrüllt hat, dass ich nach Hause kommen soll! Hat er denn nicht meinen Namen gerufen?«
»Das konnte ich nicht verstehen, bei dem Krach, den die Straße macht. Obwohl, wenn ich jetzt so nachdenke: Ich glaube, es hat sich so angehört wie ›Toni‹. ›Toni, komm raus oder ich bring dich um!‹ Oh mein Gott!« Katie sah Antonia mit weit aufgerissenen Augen an. »Das… das ist ja furchtbar! Ich hab deinen… ach du Scheiße! Das tut… mir…«
»Mir nicht«, stieß Antonia hervor. »Er hat meine Mutter geschlagen. Und wer weiß, was er mit mir vorhatte.«
Sie sahen sich an und Katie fragte: »Aber warum hast du das vorhin nicht gesagt?«
»Wie denn – du hattest doch schon vor Robert behauptet, dass er Selins Namen gerufen hätte und dass es Selin war, die ihn getötet hat. Ich wollte dich nicht verraten.«
»Jaja… stimmt, du hast recht. Danke«, stammelte Katie, sichtlich verwirrt.
»Wo sind seine Papiere?«, fragte Antonia.
»In meinem Zimmer.«
Antonia schwieg nachdenklich. Sie versuchte, sich in Katies Lage zu versetzen. Ein Mann kommt in den Garten, brüllt wüste Drohungen. Sie glaubt, es ist ihr nächtlicher Verfolger, der mit ihr wer weiß was anstellen will. Sie versteckt sich, er steht plötzlich vor ihr, sie wehrt sich, der Mann fällt zu Boden, er blutet, er ist tot… sie ist geschockt und rennt ins Haus.
So weit war alles nachvollziehbar. Aber: »Wann hast du ihm eigentlich die Papiere und den Autoschlüssel abgenommen?«
Katie antwortete, ohne zu zögern. »Er hatte eine Jacke über der Schulter hängen. Die ist runtergefallen, als er… als ich… na, jedenfalls wäre ich fast drüber gestolpert, als ich weggerannt bin. Ich habe die Jacke aufgehoben und mit reingenommen. Der Autoschlüssel war rausgefallen, den habe ich eingesteckt, ohne zu überlegen. Drinnen habe ich mir seinen Ausweis angesehen, aber der Name Ralph Reuter hat mir nichts gesagt. Ich glaube, du hast ihn nie genannt.«
Antonia wusste, welche Jacke sie meinte, eine dunkelgrüne Funktionsjacke von Jack Wolfskin mit speckigem Kragen. Ralph hatte sie immer getragen, ob Sommer oder Winter.
»Ich habe sie unter meinem Bett versteckt«, gestand Katie.
Ihre Erklärung beruhigte Antonia einigermaßen. Einen schrecklichen Moment lang hatte sie geglaubt, Katie sei ein kaltblütiges Monster, das einen Mann erstach und ihn dann seelenruhig ausplünderte. Sie nahm Ralphs Mobiltelefon aus ihrer Hosentasche. Ein besseres Modell von Nokia, aber kein Smartphone. »Das war noch im Wagen.«
»Das müssen wir sofort ausschalten und verschwinden lassen! Die Polizei kann den Standpunkt noch im Nachhinein genau orten«, flüsterte Katie erschrocken.
»Ja, gleich.« Antonia rief das Protokoll der zuletzt gewählten Nummern auf. Seit heute Mittag neun Anrufe bei seiner eigenen Festnetznummer in
Weitere Kostenlose Bücher