Röslein stach - Die Arena-Thriller
nicht sofort ginge, würde ich die Polizei informieren. Daraufhin hat sie die Villa verlassen. Aber sie muss mir gefolgt sein, als ich gegen Mittag nach Hause gegangen bin. Kurz danach stand sie jedenfalls vor meiner Tür.«
»Warum haben Sie da nicht die Polizei gerufen? Oder ihre Eltern?«
»Ich hoffte, sie würde von selbst zur Vernunft kommen. Jedenfalls habe ich zwei Tage lang versucht, sie zu überzeugen. Heute Morgen habe ich ihr erneut gesagt, dass sie nicht bleiben kann. Bin ich deshalb hier? Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Außerdem ist sie schon achtzehn, nicht wahr?«
»Wussten Sie, dass sie kurz nach ihrer Flucht aus dem Landeskrankenhaus eine Postagentur überfallen hat?«
»Was? Nein.«
Er schien überrascht zu sein, aber Petra glaubte ihm nicht. »Sie hatte eine Sporttasche bei sich, darin lag die Beute, fast achtzehntausend Euro. Sie haben doch bestimmt mal in ihre Tasche geschaut, als sie bei Ihnen gewohnt hat.«
Steinhauer runzelte die Stirn. »Warum hätte ich das tun sollen, wofür halten Sie mich? Denken Sie, ich bin scharf auf Mädchenunterwäsche?«
Statt einer Antwort hielt Petra ihm eines der Fotos hin, das die Spurensicherer aufgenommen hatten. Es zeigte Sarahs wächsernes, lebloses Gesicht. »Kennen Sie dieses Mädchen?«
Die lässig-spöttische Haltung, die er bis jetzt an den Tag gelegt hatte, fiel schlagartig von ihm ab. Er blickte zuerst das Foto, dann die Kommissarin erschrocken an. Hatte er bis dahin etwa wirklich geglaubt, es ginge nur um Rana?
»Nein, die kenne ich nicht.«
»Wirklich nicht? Sehen Sie genau hin!«
Seine Saphiraugen hefteten sich erneut auf das Foto.
»Nein!«, wiederholte er heftig.
Sie zeigte ihm ein Foto der noch lebendigen Sarah. »Jetzt vielleicht?«
Er nickte. »Ich glaube, ich habe sie einmal vor dem Haus gesehen. Aber ich bin nicht sicher. Was ist passiert?«
Liest der Mann keine Zeitung, hört der kein Radio? Hatten die Bewohner der Villa heute Morgen nichts über Sarah zu ihm gesagt? Es schien so zu sein. Oder Steinhauer konnte sich sehr gut verstellen. Petra schilderte ihm in groben Zügen, was mit Sarah geschehen war, und beobachtete dabei seine Reaktion. Er wurde blass. Das grüne Hemd zeigte plötzlich feuchte Flecken unter den Achseln.
»Sie sieht Sonja Kluge ziemlich ähnlich, nicht wahr?«, stichelte sie.
»Ich weiß, was Sie jetzt denken. Sie müssen ja so denken, Sie sind schließlich Polizistin: Ich schleiche mich unter falschem Namen als Gärtner in mein eigenes Haus ein und warte nur auf eine Gelegenheit, ein Mädchen, das dort verkehrt, zu ermorden. Aber das habe ich nicht getan! Ich habe es damals nicht getan und heute auch nicht. Fragen Sie Rana, die war das ganze Wochenende bei mir. Ich habe gemalt. Ich bin nicht einen Schritt aus dem Haus gegangen. Fragen Sie sie!«, wiederholte er eindringlich und blickte Petra dabei direkt in die Augen.
Das beeindruckte die Kommissarin nicht. Sie bedauerte: »Das geht leider nicht. Wir haben sie heute Mittag auf Ihrem Bett gefunden. Mit geöffneten Pulsadern.«
Jetzt schnappte er erschrocken nach Luft. Seine Stimme klang gehetzt, als er fragte: »Ist sie tot?«
»Wir konnten noch rechtzeitig den Notarzt rufen.«
»Sie wird also durchkommen, ja?«
»Wir hoffen es.« Petra hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit Daniel zu sprechen. Das Mädchen konnte bereits tot sein. Doch das hätte er ihr sicher mitgeteilt. »Aber für Sie sieht es gar nicht gut aus, Herr Steinhauer. Das Alibi einer kriminellen Borderlinerin, die offensichtlich auf Sie abfährt, ist nicht gerade das, was Staatsanwälte von ihrer Unschuld überzeugt.«
»Aber auch nicht von meiner Schuld«, antwortete Steinhauer und ein harter Zug spielte dabei um seinen Mund.
Damit hatte er allerdings recht. Die Behörden mussten ihm seine Schuld beweisen, nicht er seine Unschuld.
Er wurde wieder freundlicher: »Darf ich mal etwas anderes fragen?«
»Bitte.«
»Haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht?«
»Was meinen Sie damit?«
»Sie wollten herausfinden, ob und wie viele verschwundene Mädchen es während der Zeit meiner Inhaftierung gegeben hat.«
Petra hatte keine Lust, die Kontrolle abzugeben und von ihm verhört zu werden. Andererseits – er hatte ja recht gehabt mit seiner Vermutung. Und vielleicht wurde er kooperativer, wenn er davon erfuhr.
»Es gibt fünf Fälle, die eventuell dafür in Betracht kommen. Das LKA arbeitet an der Sache.«
»Soso, das LKA arbeitet«, wiederholte er spöttisch und Petra
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