Röslein stach - Die Arena-Thriller
Einlegearbeiten und gedrechselten Beinen. Antonias Großmutter besaß ein ähnliches Möbel, daher wusste sie, dass das Holz Mahagoni war. Eigentlich ein schönes Stück, vielleicht sogar eine Antiquität. Sie zog die mittlere der drei Schubladen auf.
»Was willst du darin finden? Ein blutiges Messer?« Ein spöttisches Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.
Die Schublade war natürlich leer, ebenso wie die anderen beiden. Antonia verzichtete darauf, sich die restlichen Möbel näher anzusehen, legte das Tuch wieder über den Schreibtisch und meinte: »Es ist ein schönes Zimmer. Warum wohnt hier keiner von euch?«
Robert stieß ein kurzes Lachen aus. »Na, weil es das Mörderzimmer ist. Ich jedenfalls möchte nicht in einem Raum schlafen, in dem jemand erstochen wurde. Was heißt ›erstochen‹. Es muss ein übles Gemetzel gewesen sein.«
Antonias Blick wanderte automatisch zum Fußboden, als wollte sie die Holzdielen nach Blutflecken absuchen. »Du verarschst mich doch bloß«, wehrte sie schließlich unwirsch ab.
»Wenn du mir nicht glaubst, dann zieh doch hier ein. Es ist groß, hell – und Möbel sind auch da«, schlug Robert vor. »Du sparst dir IKEA.« Antonia zögerte. Auch wenn sie die Zimmer der anderen drei Bewohner noch nicht gesehen hatte, so war dieses hier bestimmt eines der schönsten im ganzen Haus. Es musste also tatsächlich etwas nicht in Ordnung sein damit, sonst hätte es sich längst einer der anderen unter den Nagel gerissen.
»Ich bleibe lieber unten«, entschied Antonia.
»Ein weiser Entschluss.«
Wenn er lächelte, so schelmisch wie jetzt, war er fast unwiderstehlich. Antonia musste sich zusammennehmen, um ihn nicht dauernd anzustarren.
»Möchtest du noch den Keller sehen?«, fragte er.
Ihr »Nein« kam ein wenig zu hastig, sie merkte es, als sie sah, wie Robert in sich hineinkicherte. Er nahm sie bestimmt nicht ernst. Sie hatte nicht vergessen, dass er sie vorhin »Küken« genannt hatte.
»Ich würde jetzt gerne kurz duschen und dann meine Sachen auspacken.«
»Ja, klar. Gehen wir wieder runter.«
Antonia verspürte eine unerklärliche Erleichterung, als sie das seltsame Zimmer wieder verließ und Robert hinter ihr die Tür zumachte.
Sie war gerade dabei, ein frisches Laken über die nicht sehr appetitliche Matratze zu ziehen, als sie Katies Stimme hörte.
»Toooniiii!«
Sie ließ alles stehen und liegen und rannte die Treppe hinunter. Im Flur prallten Antonia und Katie aufeinander und umarmten sich eine halbe Minute lang. Dann streckte Katie die Arme aus, wobei sie Antonia noch immer an den Händen hielt, und sie musterten sich gegenseitig von oben bis unten. Katie hatte sich kaum verändert. Sie war noch immer recht klein, fast einen Kopf kleiner als Antonia, aber ihr Körper war muskulös und ihre Bewegungen voller Schwung und Energie. Ihr dichtes dunkles Haar war kurz und fransig geschnitten. Seit Kurzem zierte ein Piercing ihren Nasenflügel, ein kleiner Stein, so hellblau wie ihre Augen. Antonia hatte den Nasenschmuck schon auf Facebook bewundert, aber in natura sah er noch hübscher aus. Das Markanteste an Katie war jedoch ihre Stimme. »Wie eine Blechbüchse«, hatte mal ein Mitschüler gelästert und der Vergleich passte.
»Toni, Toni, das ist ja echt ein Ding!«
»Du siehst toll aus«, sagte Antonia und das stimmte auch. Katie trug einen sehr kurzen Minirock über einer blickdichten schwarzen Strumpfhose, dazu pinkfarbene Sneakers und ein mehrlagiges T-Shirt in Türkistönen. Verglichen mit ihr sehe ich aus, als käme ich gerade aus dem Stall, erkannte Antonia und schämte sich für ihre Billig-Jeans. Aber leider werde ich in nächster Zeit wohl nicht viel Geld übrig haben, um mir neue Klamotten zu kaufen, realisierte sie im selben Moment.
Sie hatten sich gerade in der Küche hingesetzt und Katie berichtete von ihren ersten Erfahrungen als Auszubildende, als der vierte WG-Bewohner eintraf. Matthias studierte im ersten Semester Informatik an der Leibniz-Uni. Er war ein ehemaliger Schulkamerad von Robert, wirkte aber im Vergleich zu diesem recht unscheinbar: dünnes blondes Haar, helle Wimpern, Sommersprossen. Sein rundes Gesicht mit den randlosen Brillengläsern bildete einen irritierenden Gegensatz zu seinem hoch aufgeschossenen, knochigen Körperbau. Antonia begrüßte er etwas steif mit den Worten »Ja, dann – willkommen«. Danach verschwand er in seinem Zimmer. »Voll der Streber und Mädchen gegenüber total schüchtern, aber ganz okay«, flüsterte
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