Roeslein tot
putzte gerade mit der Anni die leeren Tische im großen Gewächshaus. Beim Anblick des Fahrzeugs wusste er natürlich sofort, was es geschlagen hatte, und stürzte ins Freie. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, seine schmuddeligen, am Rand zerfransten gelben Gummihandschuhe auszuziehen. Dienstbeflissen streckte er den Arm zum Gruß aus. »Ach, der Herr Sprenger! Schön, dass Sie uns mal wieder beehren. Willkommen in unserer Gärtnerei. Was kann ich für Sie tun?«
Der braun gebrannte, sehnige Graumelierte in Marken-Jeans und lässigem Seidenhemd, den die Wasserbegonien vom letzten Tisch neben der Türe aus regelrecht anhimmelten, schaute verächtlich auf den Handschuh herab. » Sie können gar nichts für mich tun. Wo ist Herr Schladerer?«
»Keine Ahnung. Sie werden ihn schon finden«, antwortete der Jens eingeschnappt.
Die Begonien verdrehten die Augen. »Wie kann man einem so eleganten und gepflegten Mann nur eine so schäbig umhüllte Pfote entgegenstrecken?«, mokierten sie sich leise und gaben diese peinliche Szene an alle anderen Gärtnereipflanzen weiter.
Klaus Sprenger verdient sein Geld als Manager bei BMW . Er bewohnt mit seiner Gattin und Tochter eine bombastische Jugendstilvilla mit Riesengarten in Münchens Nobelviertel Bogenhausen. Deshalb hat er auch wahrhaftig genug Platz für Rosen. Die Sommerwochenenden verbringen Sprengers in einem nur wenig kleineren Jugendstil-Ferienhaus am Starnberger See, dafür mit einem etwas größeren Garten, die Winterwochenenden in einem Chalet in den Schweizer Alpen. Wo sie den Urlaub verbringen, kann sich ein Normalverdiener überhaupt nicht vorstellen. Aber der Sprenger kommt immer wieder gern heim zu seinen Prachtstücken. Das sind im Münchener Garten die historischen Rosen, die er dem Sepp abgekauft hat, und im Haus Antiquitäten, die aus jeder Ecke quellen. Stühle, Sekretäre, Gemälde, Truhen, Spiegel, Uhren, Statuen, Tapisserien, Bücher und so fort.
Der Sprenger stolzierte nun zwischen dem kleinen Gewächshaus und dem Fahrzeugschuppen durch direkt auf den Sepp zu. Der war von diesem Besuch bei Weitem nicht so angetan wie der Jens.
»Ach, der Sprenger. Wos wolln’s denn do? Sie wissn doch genau, dess ma jetzat koane Rosen verpflonzn ko.«
»Das weiß ich wohl. Trotzdem muss ich es versuchen. Übermorgen heiratet meine Tochter. Den Dieter Henke, den Stardesigner, von dem haben Sie doch sicher schon gehört?«
»Naa, von so Leit heer i grundsätzlich nix.«
Aber der Sprenger redete schon weiter. »Zur Hochzeit schenke ich ihr die Originalausgabe des ›Examen eorum, qui odiuntur ante ritum publicae ordinationis, qua commendatur eis ministerium evangelii‹ von Melanchton aus dem Jahre 1554. Jeder denkt, das hätte nur diese obskure polnische Bibliothek, doch nein, mir ist es gelungen, das einzige weitere Exemplar aufzutreiben. Ich habe da so meine Beziehungen, wissen Sie?«
»Hauptsoch Eana Beziehungen beziagn sich ned auf mi.«
Aber der Sprenger redete wieder einfach weiter. »Natürlich habe ich die Echtheit von einem anerkannten Fachmann prüfen lassen. Einwandfrei. So ein Geschenk bekommt keine zweite Braut auf der Welt, das können Sie mir glauben. Aber fragen Sie nicht, was mich das gekostet hat.«
»Des wor aa goar ned mei Absicht.«
Aber der Sprenger redete auch diesmal einfach weiter. »Das wird ein rauschendes Fest! Den Mittagsimbiss nach der kirchlichen Trauung gibt es bei uns zu Hause. Die Feierlichkeiten am Abend finden dann im Nymphenburger Schloss statt, das ist an dem Tag für Besucher gesperrt. Der gesamte bayrische Hochadel und alles, was in der Politik Rang und Namen hat, wird anwesend sein.«
»Aha. Und wos hot de Hochzeit vo Eanara Dochter mit meine Rosen zum toa?«
»Meine Tochter hat sich gewünscht, dass an ihrem Hochzeitstag links und rechts der Terrasse je eine Rose von York und eine Rose von Lancaster steht. Damit sie in ihrer Duftwolke mit ihrem Bräutigam, also dann mit ihrem Mann, den ersten Tango als Ehefrau tanzen kann. Und die nehme ich heute mit.«
»Spinna’s denn total? Sie wissn doch selber, oiso wenn ma scho a Rosn zur foischen Zeit verpflanzt, na muaß ma sie so zsammaschneidn, dess koa einzig Blütn drobleibt. Und woahrscheinlich verreckt sie dann trotzdem.«
»Ich nehme sie dennoch mit und versuche es ohne Schneiden. Die zwei Tage werden sie schon durchhalten.«
Die weiße Rose von York und die rote Rose von Lancaster erstarrten vor Schreck. Wenn der Sepp dem Sprenger diesen Wunsch erfüllen würde,
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