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Roeslein tot

Roeslein tot

Titel: Roeslein tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marketa Haist
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Sprenger versprocha.«
    Diesmal stürzte der Gräfin das Gesicht in den Keller und wollte gar nicht mehr hochkommen. Ihre Contenance war dahin.
    »Dem Klaus Sprenger? Diesem schmierigen Emporkömmling?«
    »Genau dem.«
    Die Gräfin machte den Mund auf, doch ihr fiel nicht ein, was sie darauf sagen sollte.
    Dafür fiel dem Sepp was ein. »Dann kenna’s jo eigentlich wiada ganga, jetzat wo’s ois gseng hom.«
    Wie ein begossener Pudel zog sich die Gräfin in ihr Fahrzeug zurück. Die mahagoniroten Borsten hingen schlaff herunter. Ihr lief der Jens nicht hinterher. Sie hatte ja kein Angebot unterbreitet.
    Nach diesen beiden Besuchen packte der Jens am Mittag seine Sachen. Dienstag früh wollte er los. Für seine Geschäftsreise hatte er drei Tage freigenommen, und das mitten in der Saison. Er hatte vor, in einer vorbildlichen norddeutschen Jungpflanzen-Baumschule die Möglichkeiten auszuloten, wie man einen solchen Betrieb in Reindlfing etablieren könnte. Das hatte er der Anni eröffnet. Dem Sepp natürlich nicht, ihm tischte er eine Ausrede auf. Eigentlich komisch, dass der Sepp darauf hereingefallen ist. Er hätte sicher alles getan, um die Reise zu verhindern, wenn er gewusst hätte, worauf sein Schwiegersohn abzielt.
    Der Jens hat nämlich große Pläne, die nicht nur die Topfmaschine betreffen, wegen der er vom Sepp immer so abgebügelt wurde. Seine Zukunftsvision versucht er der Anni schon seit Längerem schmackhaft zu machen. Deshalb sind wir Gärtnereipflanzen darüber im Bilde.
    Irgendwann, wenn der Alte den Löffel abgegeben hat – so was sollte man nicht sagen, sagt der Jens immer und sagt es trotzdem –, will er Land vom Berglmaier dazukaufen und eine richtig große Jungpflanzen-Sache aufziehen. Der Bauer wird sich zwar vermutlich nicht ganz bereitwillig darauf einlassen, aber der Jens ist sicher, ihn gewogen zu stimmen, wenn er im Gegenzug allen Ansprüchen auf das Kofel-Eck abschwört. Diese Geste müsste dem Berglmaier einiges wert sein, so wie er sich immer in den Streit mit dem Sepp hineinsteigert, mutmaßt der Jens. Und dann kann eine strahlende Zukunft für die Gärtnerei beginnen. Das Klima in Reindlfing hält er für ideal, die Pflanzen wären für den gesamten alpenländischen Raum akklimatisiert, eine echte Konkurrenz für die Norddeutschen und die Holländer. Das muss der Jens denen in der Baumschule natürlich nicht auf die Nase binden; er will eher so tun, als würde er sich dort um eine Stelle bewerben. So hat er sich’s überlegt.
    Dass ich ihn während seiner Abwesenheit nicht vermisste, dafür sorgte der Jens, wie schon erwähnt, am Montagabend selbst. Immer wenn er besonders schlechte Laune hat, kommt er mit der Ratschenschere daher und verstümmelt mich so, dass nur noch Astansätze übrig bleiben. Weil die Menschen kaum etwas über den Wahrnehmungsapparat der Pflanzen wissen, denken sie sich nichts dabei, wenn sie einen Strauch so schneiden, dass er alle Blätter verliert. Doch der Jens macht das nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus purer Bosheit. Er behauptet, ich würde zu viel Schatten ins Gewächshaus werfen, obwohl das nur ganz spät am Nachmittag der Fall ist. Jeder Depp merkt sofort, dass ihm mein Schatten nur als Vorwand dient, sich auf meine Kosten abzureagieren. Und dieses Bedürfnis überkam ihn am Montagabend ganz besonders intensiv. Weil ihm der Sepp dauernd Steine in den Weg legte. Weil ihn die Anni mit ihrem Kinderwunsch nervte. Weil ihn die Rosenheinis ignorierten.
    Als ich ihn mit der Schere um die Ecke biegen sah, wusste ich gleich, was mich erwartet.
    Au! Autsch! Aua! Ein Ast nach dem anderen fiel herab, nicht nur mit allen Blättern, sondern auch mit meiner ganzen Blütenpracht. Aus dem Rosenquartier tönte es schadenfroh herüber: »Ach, welch ein Segen, bald sind wir von diesem widerwärtigen Gestank befreit!«
    Zwischen dem Gewächshaus und dem Fahrzeugschuppen sah ich die Anni zu meiner Rettung herbeieilen. Aber es waren bloß noch zwei belaubte Äste an mir übrig. Schnipp: nur noch einer. Die Anni rief entsetzt: »Jens, wia kost du den Holunder so zsammasäbeln, wo der doch in voller Blütn …« Schnipp: Da fiel der letzte Ast. Schlagartig wurde es still um mich. Die Anni bewegte weiter die Lippen zu meiner Verteidigung, für die es zu spät war. Ich konnte sie nicht hören. Ebenso wenig konnte ich irgendwelche chemischen Signale empfangen.
    Zum Glück hatte der Schuft ein Seitenzweiglein ganz unten vergessen, wo gerade ein Blattbüschel am Knospen

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