Roeslein tot
noch mal anrufen? Sie sind ja inzwischen ein Virtuose im Bedienen von antiken Gerätschaften.« Er reicht ihm das Handy.
Das hätte der Stuhlinger jetzt wirklich selber machen können, findet der Wellmann, sagt aber nichts.
Danach begeben sich die zwei Polizisten schnurstracks zur Fichte. Sie bitten die Eisingerin heraus unter den Baum. Der Eisinger muss drinnen bleiben. Falls Kundschaft kommt. Aber die Straße ist menschenleer, soweit das Auge reicht. Der ideale Ort für ein heikles Gespräch, bei dem sie sich fälschlicherweise unbelauscht glauben.
»Nein, ich habe es mir nicht anders überlegt mit meiner Jacke, auch wenn ich die aus Ihrem Geschäft natürlich sehr zweckmäßig finde. Frau Eisinger, leider ist es ein sehr viel weniger erfreulicher Anlass, der uns zu Ihnen führt. Sie haben uns angelogen. Sie waren in der Mordnacht und die Tage davor gar nicht bei Ihrer Mutter. Das hat sie soeben gestanden. Wir haben nämlich herausgefunden, wo sie waren: im »Luxury Spa Hotel« in Bad Tölz. Und zwar nicht allein. Können Sie uns bitte sagen, was Sie und Herr Schultes am späten Donnerstagabend wirklich gemacht haben?«
Das muss ich sofort richtigstellen und der Fichte erklären, dass es gar nicht die amtlichen Ermittler waren, die die Sache mit Bad Tölz aufgedeckt hatten, sondern meine Anni. Die schmücken sich wohl gern mit fremdem Blattwerk. Die Fichte ist der Meinung, dass ein »Luxury Spa Hotel« genau der richtige Ort für die Eisingerin sei. Aber in Begleitung von Jens, dem sparsamen Gärtner? Das findet sie etwas befremdlich. Anschließend referiert sie mir alles, was in ihrem Schatten passiert.
Das Kinn der Eisingerin beginnt zu zittern. Dann kullert eine Träne unter ihrem schminkeschweren rechten Augenlid hervor. »Jetzt ist die Tarnung unserer Liebe also doch geplatzt. Dabei hatten wir alles perfekt vorbereitet. Jens hat sogar einen alten Freund gebeten, für ihn in die Baumschule ›Timm von Ehern‹ zu fahren, damit seine Ausrede perfekt ist, falls der Alte darin herumstochert. Und meine Mutter hat auch eisern zu mir gehalten. Wissen Sie, meine Mutter war vierzig Jahre lang unglücklich verheiratet. Sie weiß, wie sich das anfühlt. Sie hat Verständnis für meine Situation. Den Jens fand sie auch sehr attraktiv, als ich ihr mal ein Foto von ihm gezeigt habe. ›Tu, was dein Herz dir befiehlt‹, hat sie zu mir gesagt. ›Du sollst nicht so elend leben, wie ich es musste, Liebes.‹ Durch Jens bin ich richtig aufgeblüht. Und jetzt das.« Die Eisingerin schnieft. »Herr Kommissar, Sie müssen verstehen, dass ich nicht von Anfang an die Wahrheit sagen konnte. Das wäre ein Riesenskandal geworden. Und jetzt wird es eben auch ein Riesenskandal, da kann man nichts mehr machen. All diese Bauerntölpel werden mit dem Finger auf mich zeigen, und die verhärmten alten Zicken werden hinter vorgehaltener Hand über mich herziehen. Hier zu leben, das ist die Hölle.«
Der Wellmann kramt ein Papiertaschentuch aus seiner Hosentasche und reicht es ihr. Doch die Eisingerin schüttelt den Kopf, als sie das zerknitterte Etwas sieht, und verzichtet lieber darauf, sich die Krokodilstränen aus dem Gesicht zu wischen.
»Sehen Sie, bevor ich hierherkam, hatte ich so eine romantische Vorstellung von der Gegend: Bilderbuchlandschaft, München in der Nähe, der Starnberger See, Bad Tölz, Bad Wiessee, die Skigebiete … und dann noch Partnerin in einem gut gehenden Sporthaus. Im Moment ist hier alles ein bisschen verschlafen, da kann man sich nicht so recht vorstellen, dass im Winter der Laden gut läuft, aber das tut er tatsächlich. Und als ich meinen Mann kennengelernt habe, war er so charmant! Ein echter Kavalier der alten Schule. Und unternehmungslustig! Nach dem Business-Seminar zogen wir jeden Abend zusammen durch die Bars und Clubs. Dann kam ich hierher, und der Alltag fing an. Ein Alltag zwischen Kassenabrechnung und Misthaufen. Und mein Mann, der war wie ausgewechselt. Es ist nicht der Altersunterschied, der mich stört. Den habe ich ja bewusst in Kauf genommen. Aber er ist schon wenige Wochen nach der Hochzeit zu einem absoluten Langweiler mutiert.« Sie seufzt. »Nie fährt er mit mir nach München zum Shoppen. Das muss ich immer allein machen. Mit einer Freundin wäre es auch schön, nur wie soll ich in diesem Kaff eine Freundin finden? Die können hier ja nicht mal richtig Deutsch. Die Einzige, die sich wie ein Mensch verständigen kann, die Birgit aus dem Sauerland, hat nur Windeln im Kopf. Und
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