Ro'ha: Teil 1 - Vernichtung (German Edition)
hatte ablehnen müssen. H'Rega hatte ihr befohlen, nicht über den Vorfall zu sprechen, also tat sie es nicht.
Anfangs hatte sie befürchtet, man könnte ihr verübeln, dass sie überlebt hatte und einer der ihren nicht, doch dem war nicht so. Scheinbar rechnete man es ihr hoch an, dass sie Insos Befehl letztlich ausgeführt hatte. Es war fast ein wenig, als wäre ihr ganzes Ansehen bei der Besatzung ein wenig gestiegen.
Nach einer Weile hatte sich das Treffen zerstreut und Azarion hatte sie in ihr Quartier zurückgebracht. Er hatte erleichtert und gelassen gewirkt, irgendwie deutlich unbeschwerter und sogar fröhlich. Er hatte sie während des kurzen Weges damit aufgezogen, dass der Rückschlag eines einzelnen Schusses sie außer Gefecht gesetzt hatte und im gleichen Atemzug angekündigt, dass sie sich künftig an einigen Trainings beteiligen sollte.
Es war… nett.
Das Stück wechselte und nach einer zweisekündigen Pause erklangen die Töne eines Klaviers. Auch das war irgendein bekanntes Stück, aber ihr wollte weder Name noch Komponist einfallen.
Ganz allmählich trieben ihre Gedanken in die Vergangenheit und verschiedene Bilder ihres alten Lebens wurden vor ihrem inneren Auge lebendig. Meist waren es Kleinigkeiten, die keinen weiteren Einfluss auf ihr Leben genommen hatten, die ihr plötzlich in den Sinn kamen. Schöne Momente mit Chris oder der Familie, den Haustieren.
Seit sie an Bord der Ro'ha war, hatte sie nur selten an das Früher denken wollen und alle aufkeimenden Erinnerungen schnell verbannt. Und auch jetzt kämpfte sie die Bilder und die mit ihnen verbundenen Gefühle von Sehnsucht, Angst und Trauer nieder und zwang sich, aufzustehen. Das alles - all dieses Vergangene - war momentan unendlich weit weg. Es war sogar so weit weg, dass es ihr vorkam, als würden die blassen Erinnerungen einer Fremden gehören.
Sie fühlte, dass ihr die Tränen über das Gesicht gelaufen waren und rief sich im Stillen zur Ordnung. Sie durfte sich nicht in der Vergangenheit verlieren.
Lillja wandte sich um, um die Musik auszuschalten und zurück zur Krankenstation zu gehen, um den Bericht zu verfassen, als sie die Person bemerkte, die im Türrahmen stand und gerade im Begriff war einzutreten. Erschrocken stolperte Lillja einen Schritt zurück und fühlte die Wand im Rücken, die ihren Rückzug stoppte.
H'Rega stellte die Musik ab.
"Sie haben den Rufton ignoriert", kommentierte er. "Oder überhört."
Die Klaviertöne klangen in ihren Ohren na ch und vermischten sich mit dem Rauschen ihres Blutes.
" Ich wollte Sie nicht erschrecken", fuhr er fort und schloss die Tür hinter sich, in dem er kurz die Konsole berührte.
Lillja wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nahm Haltung an. Ihre Augen brannten und mussten rot sein.
"Geht es Ihnen gut?"
" Ja", log sie und schaffte es mit Mühe, ihrer Stimme die nötige Festigkeit zu geben.
Ungefragt kam H'Rega näher und stellte sich vor dem Bildschirm auf und betrachtete die Aufzeichnung der Außensensoren. Es verging eine ganze Weile, in der sie schweigend hinausblickten, bis er endlich wieder das Wort ergriff:
" Sie haben sich auf dem Mond bemerkenswert gut geschlagen. Viele andere hätten die Funde auf dem Schiff weniger gut vertragen - viele hätten die Nerven verloren. Sie aber sind ruhig geblieben und haben Ihren Job erfüllt."
" Danke." Sie hatte nicht erwartet, freundliche Worte von ihm zu hören, nahm sie aber gerne an. "Diese Kreaturen experimentierten an meinen Leuten", fuhr sie fort, als H'Rega das Schweigen nicht brach. "Und Ihre Leute machen das Gleiche. Der Genetiker auf der Station hat mir Zellen entnommen, um damit neue Versuchsobjekte zu züchten, nicht wahr?"
Es dauerte lange, bis er antwortete und als er sprach, klang seine Stimme niedergeschlagen und ehrlich mitfühlend.
" Ich weiß es nicht sicher. Ich bin Soldat - ich kämpfe und führe Befehle aus. Und ich tue das zusammen mit millionen anderer Soldaten aus allen Völkern. Wir kämpfen für unsere Spezies, unsere Planeten und Kolonien - auch für die Erde. Uns alle treibt die Angst vor der Seuche. Ich habe Männer gesehen, die daran gestorben sind - mit dem Wissen, dass all ihre Kameraden mit ihnen starben. Wenn die Menschen dazu beitragen können, dass wir endlich der Seuche Herr werden, dann wäre das einige Opfer wert."
Lillja dachte einen Moment darüber nach, war sich aber einfach nicht sicher, ob sie ihm zustimmen konnte. Es war eine reichlich philosophische Frage, ob wenige
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