Ro'ha: Teil 1 - Vernichtung (German Edition)
schneller Folge zur Sprachauswahl und der kleine Computer wandelte die fremden Zeichen ins Deutsche.
Unter der Überschrift 'Neuverpflichtungen' wurde eine lange Liste von Namen aufgeführt. Am rechten Bildschirmrand befand sich ein Auswahlmenü, in dem man zwischen verschiedenen Sortierungsoptionen wählen konnte und Lillja entschied sich für eine regionale Darstellung. Das Bild wandelte sich nun zu einer Weltkarte, die durch Berührung bedient werden konnte. Stückweise verkleinerte sie den Ausschnitt auf Europa, Zentraleuropa, Deutschland, Hessen und überflog die Namen. Hinter der Spalte mit Vor- und Nachnamen verbargen sich zahlreiche weitere Informationen, wie Geburtsjahr, Wohnort, Familienstand, Ausbildung und Zeitpunkt der Rekrutierung.
Sie ging die Liste mehrfach ab, erkannte aber keinen der Namen .
" Keine guten Nachrichten?" Sie hatte vollkommen vergessen, dass Captain Dale noch immer anwesend war und sah auf.
" Nein." Ihre Stimme klang gefasst - gut. "Darf ich das mitnehmen?"
" Sicher. Dr. Torras hat angegeben, dass Sie bereit für einen leichten Dienst sind - fühlen Sie sich in der Lage dazu?"
" Ja - auch für den normalen Dienst."
" Gut", er gab etwas in die Konsole vor sich ein. "Melden Sie sich morgen früh auf der Krankenstation, Sie werden dann Ihren neuen Dienstplan erhalten."
Lillja nickte und verließ den Bereitschaftsraum. Im Gehen senkte sie erneut den Blick und überflog die Namen ein weiteres Mal - leider mit dem gleichen Ergebnis.
Auf dem Weg zurück in ihr Quartier erweiterte sie die Suche auf andere Bundesländer, in denen Freunde oder Familienangehörige lebten, wurde aber auch dort nicht fündig.
Das musste nichts zu bedeuten haben, versuchte sie sich einzureden, immerhin hielten die meisten ihrer Freunde nicht viel vom Militär und hätten eher versucht, die Hilfskräfte auf dem Planeten zu unterstützen.
Als sie ihre Kabine erreichte öffnete sie schließlich die zweite Liste: Identifizierte Tote. Sie folgte dem gleichen Aufbau, doch es dauerte deutlich länger, bis die Daten geladen waren. Sie war ungleich größer. Lillja ließ sich Deutschland und Hessen anzeigen und ordnete die Ergebnisse nach Namen - und da waren sie: Freunde und Bekannte aus dem Studium. Insgesamt acht Namen, die sie kannte, darunter auch ihre Nachbarn. Chris tauchte nicht auf. Vielleicht gab es noch Hoffnung.
Sie änderte die Region und betrachtete Listen aus ihrer Heimat in Baden-Württemberg. Noch mehr vertraute Namen. Freunde und schließlich stieß sie auch auf Familienmitglieder.
Victoria und Jasmin Winter, siebzehn und zwanzig - ihre jüngeren Halbschwestern, dann ihr Vater und seine neue Frau und ihr Patenonkel.
Sie legte das Pad aus den Händen und trat an das unechte Fenster heran. Die Ro'ha flog verhältnismäßig langsam durch ein Sternensystem und passierte gerade einen wunderschönen Gasriesen.
Sie erwartete eine Welle von Trauer, Tränen, hereinbrechenden Erinnerungen - aber da war nur Leere. Kalte, schneidende Leere, wie das All, auf das sie hinausblickte.
Zeit verging und irgendwann ertönte das Signal zum gemeinsamen Essen. Sie hatte keinen Hunger und wollte jetzt keine Gesellschaft, also bl ieb sie einfach am Fenster stehen.
Irgendwann begannen ihre Beine zu schmerzen und wurden taub. Die Trauer kam nicht, die Leere machte ihr einfach keinen Platz.
Stunden vergingen. Lilljas Augen begannen zu brennen und das Atmen wurde schwerer. Seit dem Zwischenfall in ihrem Quartier nahm sie das Mittel zur Anpassung ihres Organismus an die fremde Atmosphäre selbst ein. Waren seit der letzten Einnahme schon dreißig Stunden vergangen?
Mit einiger Anstrengung löste sie sich von der Aussicht. Sie hatten das System wieder verlassen und waren auf Überlichtgeschwindigkeit gegangen.
In der Wand neben der Tür, hinter der Verkleidung, befand sich das Notfallset: Eine vorbereitete Spritze für den akuten Fall, eine Atemmaske mit Luft, die für Menschen verträglich war und eine normale Dosis in Form von Tropfen, die zur laufenden Behandlung genutzt wurden. Für die Tropfen war es zu spät.
Lillja löste die Wandverkleidung und sah in den Hohlraum. Sie selbst hatte das Fach nachgefüllt - eine Aufgabe, die zu wichtig war, um sie einem anderen zu überlassen.
Sie griff hinein und löste die Spritze aus der Verankerung. Der Körper war aus Glas, die Kanüle aus einem glänzenden Metall. Kein Hypospray oder ähnliches, wie man es aus einschlägigen Sciencefiction-Filmen kannte.
Die Luft, die
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