Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
du Verständnis hast. Es ist nun mal so. Wenn wir einmal genug Leute haben, um unseren Job richtig zu machen, werde ich schon lange in Pension sein.«
Plötzlich sah ich, wie seine Augen aufblitzten, als denke er an etwas Amüsantes.
»Du, ich weiß etwas, das dich in bessere Laune versetzt.«
»Ein weiches Bett, ein ruhiger Raum, eine warme Decke.«
Er stieß einen Laut aus, der verdächtig nach einem unterdrückten Kichern klang.
»Da liegst du gar nicht so falsch. Komm mit in das Vernehmungszimmer, dort kannst du jemanden treffen.«
»Ich möchte Heller in hundert Jahren nicht mehr begegnen.«
»Nein, nicht Heller. Eine Frau. Sie heißt Inger Olsson.«
Ich konnte mit dem Namen wirklich nichts anfangen, aber er kicherte erneut.
»Du kennst sie recht gut. Sogar sehr gut! Du hast sie einmal in deinem Hotelbett gefunden!«
Sechzehntes Kapitel
»Eine Modelagentur gab uns den Namen«, erzählte Simon, als wir die Treppen hinaufstiegen. »Sie war da vor fünf, sechs Jahren und soll eine sehr aktive junge Dame gewesen sein. Der Eigentümer meinte, sie habe so vorteilhaft ausgesehen, daß er sich auf einen Probevertrag eingelassen und ihr ein paar kleinere Jobs vermittelt habe. Aber auf den Bildern kam sie nicht gut rüber. Keiner wollte sie mehr engagieren, und sie muß das wohl auch begriffen haben. Was sie in den Jahren danach gemacht hat, weiß er nicht.«
Im Flur stießen wir auf Löfgren. Er schielte mich an wie ein tollwütiges Tier, und ich schielte zurück. Simon ging dazwischen und verhinderte das Schlimmste. Ich hatte einen Feind fürs Leben dazugewonnen, aber das bekümmerte mich wenig. Er konnte meiner Karriere nicht mehr schaden, da mir sowieso keine mehr bevorstand. Und solange Simon mein Abteilungschef war, konnte er mich auch beruflich nicht schikanieren. Das einzige, was er tun konnte, war, in seinem Zimmer zu sitzen und lange Nadeln in eine Puppe zu spießen, die mich darstellen sollte.
»Um halb elf haben wir sie abgeholt, aber wir sind mit der Vernehmung wohl noch nicht weit gekommen.«
»Wer leitet das Verhör?«
»Kreuger. Einer der besten, die wir haben.«
Sie saß auf dem Verhörstuhl und war so aufgebracht, daß sie spuckte und sabberte, als sie mit überkippender Stimme ihre Tiraden abließ. Gewiß, sie war hübsch und ins falsche Milieu geraten, aber es war jetzt nicht die Zeit, darüber zu räsonieren. Kreuger sah unbeeindruckt aus und wartete geduldig auf das Ende des Wortschwalls.
»… und wenn du mich nicht bald nach Hause fährst und dich bei mir satt entschuldigst, dann macht mein Rechtsanwalt Vogelfutter aus dir!«
»Meinetwegen. Aber hör mal, Inger …«
Er unterbrach sich, als wir eintraten, und sie folgte seinem Blick. Als sie mich sah, wurde sie einen Augenblick lang unsicher, aber dann gewann ihre – echte oder gespielte – Arroganz wieder die Oberhand. Ich lächelte sie breit und freundlich an.
»Hej, Inger! Oder soll ich dich lieber Alida, Zaza, Lili Ann oder Marie Leni nennen? Oder Zuckerschnäuzchen?«
»Dich werde ich anzeigen! Du hast meine Sachen gestohlen.«
»Wenn du deine Klamotten meinst – die befinden sich hier im Hause. Sortiert und registriert und sorgsam auf den Bügel gehängt.«
Es war ein primitives Gefühl der Befriedigung, sie dort sitzen zu sehen, ohne daß sie sich davonschleichen konnte. Sie hatte versucht, mich aufs Kreuz zu legen, und nun war sie dran.
Wenn man verhört wird und dabei etwas verbergen will, balanciert man die ganze Zeit auf des Messers Schneide. Man denkt, daß man sich auf alle möglichen Fragen vorbereitet hat, aber dann stellt der geschickt Verhörende eine unmögliche Frage. Aus einer kleinen Lüge wird eine große, das lose geknüpfte Netz zieht sich immer enger zu, und schließlich verheddert man sich dermaßen darin, daß man aufgibt. Es gab natürlich die Möglichkeit, es wie Heller zu machen und das Verhör in eine Farce zu verwandeln. Oder grundsätzlich zu schweigen. Wir können die Antworten nicht aus den Leuten herausprügeln. Obwohl viele meinen, daß wir es tun sollten.
»Du hast mich wie eine Nutte behandelt!« fuhr sie fort. »Das lasse ich mir nicht gefallen. Du kannst Gift drauf nehmen, daß ich dich anzeigen werde!«
Ich griff mir an die Brust. Endlich wieder eine Gelegenheit, mein schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen. Ich hätte zum Varieté gehen sollen.
»Bitte nicht solche schrecklichen Drohungen! Denk an mein schwaches Herz.«
Simon erkundigte sich freundlich: »Warum hast
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