Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
ich in meiner Jugend gelernt, mit einer aufgebrachten jungen Dame umzugehen. So duckte ich mich ein paar Zentimeter, und sie schlug ins Leere. Simon ging dazwischen und sagte scharf: »Diese Art Argumente mögen wir hier nicht! Bitte sprich mit Kriminalinspektor Kreuger über den Anwalt. Wir werden noch oft Gelegenheit haben, uns zu unterhalten.«
Er zog mich auf den Korridor und runzelte die Stirn.
»Das war nicht ganz gesetzlich, was du da von dir gegeben hast!«
»Reiß mir doch die Schulterstücke herunter.«
»Zur Strafe wirst du dir auf eigene Rechnung Schulterstücke kaufen, damit ich sie dir morgen früh vor versammelter Mannschaft herunterreißen kann.«
Wir begaben uns wieder in sein Büro, und ich fläzte mich in den Besuchersessel. Mein euphorischer Ausbruch war vorüber. Ich fühlte mich todmüde, und die Opfer der Amokfahrt tauchten wieder auf meiner Netzhaut auf. Simon blätterte schweigend in seinen Unterlagen.
»Muß ich wirklich über Sergels Torg tippeln?«
»Wir können dich nicht zwingen.«
»Ja, ja, es ist gar nicht so leicht, mich zum Arbeiten zu bringen. Maximal zwei Stunden.«
»Nadja sagte, sie würde dich gern auch heute abend zum Essen einladen.«
»Danke, aber ich bin nicht in Stimmung.«
»Ich auch nicht. Außerdem werde ich heute abend und heute nacht wahrscheinlich gar nicht nach Hause kommen. Hier, nimm das.«
Aus einer Schublade holte er ein Sprechfunkgerät in Miniaturausführung und bat mich, es am Gürtel zu befestigen.
»Du stehst damit in ständiger Verbindung zur Alarmzentrale. Die wissen Bescheid. Ab jetzt wirst du dieses Gerät ständig am Mann haben. Als Ergänzung unserer anderen Schutzmaßnahmen.«
Ich nahm auch meine Dienstpistole an mich und steckte sie wie immer in den Hosenbund. Wenige meiner Kollegen benutzen das berühmte Schulterholster, es ist viel zu unbequem.
»Ich stell euch einen Wagen zur Verfügung. Sune wird dich begleiten.«
Das war kein Grund, hurra zu schreien, aber auch kein Grund zu protestieren. Wir waren Kollegen und hatten früher viel zusammengearbeitet. Simon strich sich über die Glatze und starrte an die Decke.
»Du, Rolle …«
»Yes, Boss?«
»Glaubst du wirklich, daß sie dich in dem Lieferwagen erschießen wollten?«
»Ja.«
Wie einen Traumfetzen erlebte ich noch einmal den Augenblick, da der Mann den Revolver auf meine Stirn gerichtet hatte. Als der Schuß losdonnerte, war ich sicher, daß mein Kopf in viele Teile zersprengt werden würde. Es war ein ganz besonderer Schreck, der mich durchfuhr, denn er mischte sich mit einer Art Resignation, die man nicht beschreiben kann. Simon schien zu verstehen, denn er nickte mitfühlend.
»Wenn das alles hier vorüber ist, werden du und ich und Nadja und Virena uns mal einen Abend in aller Ruhe zusammensetzen und nur an uns selber denken. Wenn es vorüber ist.«
»Und ich noch am Leben bin.«
»Und ich! Wenn einer von uns überlebt. Man muß sich schon wundern. Apfel kann man nicht mehr ungeschält essen, Fisch verträgt man nur noch einmal pro Woche, die Ozonschicht wird immer dünner, und die Welt ist voller Neonazis. Ein Unglück kommt selten allein.«
Er ließ Sune kommen, und gemeinsam gingen wir in den Hof zu dem bestellten Wagen.
»Ruf mich heute abend an, wenn es Neuigkeiten gibt«, sagte Simon.
»Das müssen dann schon sehr wichtige Neuigkeiten sein. Ansonsten werde ich den Telefonstecker ziehen. Es lohnt also nicht anzurufen.«
Der Wagen fuhr langsam durch die Scheelegatan und über die Barnhusbron, und ich schloß die Augen, um dem Alptraum zu entgehen, den ich hier ganz in der Nähe vor kurzem geträumt hatte. Hätten wir nicht eine andere Strecke fahren können? Diese alten Leute, denen der Vasapark zur Hölle geworden war …
»Schimmliges Gras.«
»Was?«
»Weißt du etwas, das gegen schimmliges Gras hilft? Ich habe ein Wochenendgrundstück und immer so faulige Stellen auf dem Rasen. Es soll verschiedene Mittel dagegen geben.«
»Keine Ahnung. Streu doch Penicillin drüber, das hilft gegen alles.«
Er sah etwas verstört aus und zündete sich eine Zigarette an.
»Wie sieht der Junge denn aus?« wollte er wissen.
Ich beschrieb ihn, so gut ich konnte, und Sune lauschte und paffte. Ruda hatte ihn einst zur Fahndung geholt und nicht wieder fortgelassen. Wir anderen wunderten uns darüber, daß Sune nicht von selbst dahin zurückging, wo er mit seinen Fähigkeiten wirklich gebraucht wurde.
»Also keine besonderen Merkmale. Einer unter Tausenden.«
»Ich
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