Roland Hassel - 14 - Piraten
blieb mir nur, Hiller anzurufen. Mit gemischten Gefühlen wählte ich die Nummer. Er meldete sich mit einem neutralen Hallo.
»Hej, ich bin es.«
»Wer?«
»Hassel.«
»Oh, Roland.«
Er betonte meinen Namen auf eine Art, die beinahe hohnvoll klang. Vielleicht war ich auch überempfindlich, weil mir nicht klar war, was ich heraushören wollte.
»Vontenius hat Leons Bild erkannt.«
»Sagte er das?«
»Nein, aber ich bin sicher. Ich habe den Apparat unter einem Besucherstuhl befestigt.«
»Gut.«
Ich wartete, doch mehr sagte er nicht.
»Wie geht es weiter?«
»Das Gerät muß selbstverständlich wieder abgeholt werden. Morgen zum Beispiel.«
»Von wem?«
»Seltsame Frage. Von dem natürlich, der es angebracht hat. Du gehst einfach noch einmal zu ihm, in einer ähnlichen Angelegenheit, mit einem Stapel neuer Fotos, setzt dich auf denselben Stuhl und steckst mit denselben Fingern das Kästchen wieder ein.«
»Kinderleicht, meinst du?«
»Kinderleicht, genau.«
Es war so still in der Leitung, daß ich ihn nicht einmal atmen hörte.
»Mhm, ja«, murmelte ich. »Ich werde mit Simon darüber reden. Damit es überzeugend wirkt, sollte Myrna wieder dabei sein.«
»Tu das, sprich mit Simon, damit alles klargeht.«
Wieder Schweigen. Als ich es nicht mehr aushielt, sagte ich:
»Gibt es noch etwas?«
»Was denn?«
»Diese verdammten Odeoniten, was machen wir mit denen?«
»Sprich mit Simon.«
»Ich dachte, du hättest hier das Sagen?«
»Dachtest du? Wie kommst du darauf? Eine Marionette von Interpol, ein ausgemachter Hampelmann, kann doch keinen Einfluß haben. Am besten, du redest mit Simon.«
Aber Simon kam nicht. Ich erfuhr, daß er unmittelbar nach unserer Besprechung nach Hause geeilt war. Als ich in Spanga anrief, war Nadja am Apparat und teilte mir mit, daß ihr Mann mit einem der mittleren Söhne zum Basketballfinale gefahren war. Es würde spät werden, denn anschließend sollte es noch eine Grillparty geben. Da es sinnlos war, noch im Büro zu bleiben, rief ich Virena an und holte Elin ab. Wieder staunte ich, wie reifer sie von Tag zu Tag wurde, und es erschreckte mich fast. Sieben Jahre und bereit, jedes Thema zu diskutieren, so daß sich der Papa über die angenehme Konversation freute und nicht auf den Gedanken kam, außerhalb der Familie zu stehen. War altklug das richtige Wort? Trotzdem wünschte ich mir die Zeit zurück, da ich ihr Ein-und-alles, das große Idol meiner kleinen Tochter gewesen war. Inzwischen hatte ich Konkurrenz bekommen, und wie alle Menschen mochte ich den Wettbewerb nur, wenn ich selbst nicht daran teilnehmen mußte.
Und in meinem Beruf hatte ich auch noch nicht wieder Fuß gefaßt. Organisatorisch war so viel Neues eingeführt worden, daß vielen die Umstellung schwerfiel. Manche konnten einfach nicht begreifen, daß nun Bürgernähe Priorität hatte. Polizisten sollten zeigen, daß sie der Allgemeinheit dienten und nicht nur im Funkwagen durch die Gegend sausten oder als Statisten im Fernsehen auftraten. Unsere kleine Fahndungsgruppe war davon weniger berührt, aber auch auf uns kam Neues zu. Die anderen hatten sich bereits damit beschäftigt, während ich hinterherhinkte. Genau wie im Falle meiner Tochter wünschte ich, daß am besten alles beim alten bleiben sollte, in Ewigkeit Amen.
Das Gefühl, im Job daneben zu stehen, ja fremd zu sein, hatte selbstverständlich auch mit der Beteiligung an der aktiven Verbrechensbekämpfung zu tun, wie sie von der Gruppe von Interpol betrieben wurde. Auf biblische Weise diente ich zwei Herren, ohne daß der eine Herr die Methoden des anderen offiziell sanktioniert hatte. Inwieweit inoffiziell Informationen ausgetauscht wurden, wußte ich nicht. Auch hier galt die alte Regel: Lieber nicht fragen!
Sehr früh am nächsten Morgen rief Simon an und schlug einen gemeinsamen Spaziergang zum Polizeigebäude vor. Er holte mich ab und schnorrte nebenbei ein Käsebrot und ein paar Küsse von den Damen, wofür er sich mit einem Scherz revanchierte, der Elin kichern und Virena lächeln ließ. Dann wanderten wir den gewohnten Weg über die Hantverkargatan zur Pilgatan. Simon legte die Hände auf den Rücken, so daß sein Bauch noch besser zur Geltung kam. Unter dem zeltgleichen Mantel schien sich ein militärisches Vorratslager zu verbergen.
»Vermutlich weißt du von dem Aufzeichnungsgerät bei Lecta Finans?« begann ich.
»Wie funktioniert eigentlich ein Aufzeichnungsgerät? Ich frage mich immer, warum sich die Töne einfangen
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