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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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Moment erwartet. Sie war die Inkarnation aller Werbebilder; ihr weich gewelltes Haar ließ auf die fleißige Anwendung von Heaven Shampoo und Balsam in einem schließen, ihre Alabasterhaut war das Resultat von Eden Skin Lotion, einem Extrakt aus der Zirbeldrüse des Igels, der klare Glanz der Augen kam von Paradise Butterfly Eye Drops aus den Hormonzellen der Larven der Vogelspinne, die kurvenreiche Figur und die langen Beine verdankte sie Devine Vitamine Extra, einem Präparat, an dem siebenunddreißig Forscher sechsundneunzig Jahre gearbeitet hatten, und sie lächelte selig, weil sie täglich Sweet Life Abführmittel nahm. Das alles zu wissen, gehört in unserer Zeit zur Allgemeinbildung; jedes Fernsehkind hätte Bescheid gewußt.
    Platz nehmen war gar kein Ausdruck, wir sanken in Ozeane weicher Polster aus Daunen und Federn. Die Reklamepuppe saß an ihrem schnörkelbeinigen Schreibtisch, der so groß war, daß die chinesischen Pingpongmeisterschaften darauf stattfinden könnten – alle Spiele gleichzeitig. Sie vertiefte sich in höchst wichtige Dokumente. Nach fünf Minuten erkundigte sie sich mit leiser, etwas heiserer Stimme, die eine Anzeige bei der Sittenpolizei wert gewesen wäre:
    »Apfelmann mit Stadtnamen, was kann das sein?«
    »Klingt spannend«, meinte Myrna.
    »Die haben hier immer solche Doppelbedeutungen. Kennt ihr einen Kerl, der wie eine Stadt heißt?«
    Wir grübelten über dieses wichtige Thema.
    »Göteborg«, schlug Myrna vor. »Göte Borg.«
    Das Werbewesen kratzte sich mit dem Kugelschreiber am Kopf.
    »Gibt es einen Göte Borg? Der mit Äpfeln zu tun hat? Ich kenne keinen.«
    »Irving Berlin«, versuchte ich es. »Er ist über hundert Jahre alt geworden. Kerngesund, die ganze Zeit. Könnte das der Hinweis auf Apfel sein?«
    »Verdammt guter Vorschlag«, lobte sie und tippte mit dem Stift in die Kästchen, während ihr roter Schmollmund leise mitzählte.
    »Schade, nur fünf Buchstaben. Trosa? Kalle Trosa? Teufel noch mal, ist das diese Woche schwierig.«
    »Paris«, versuchte ich es noch einmal. »Er verteilte den Apfel beim Schönheitswettbewerb auf dem Berg Ida.«
    Sie rechnete nach und rief erfreut:
    »Spitze! Dann bekomme ich ein ›S‹, und der norwegische Puppenheimer heißt – Ibsen! Phänomenal, mein Herr, ein Genie wie Sie kommt selten hierher.«
    Myrna warf mir wegen meiner klassischen Bildung einen bewundernden Blick zu, und ich fand es unnötig zu verraten, daß ich die Lösung aus einem Fernsehquiz kannte. Ein Mann kam herein. Daß er der Geschäftsführer war, sah man sofort. Er war nicht gerade geschmackvoll, aber dafür teuer gekleidet. Ich schätzte ihn auf etwa fünfundvierzig Jahre; seine ranke und schlanke Gestalt verdankte er sicher unzähligen Golf-, Tennis- und Squashstunden sowie diversen Skiabfahrten. Aus seinem gewellten dunklen Haar hatte er alle grauen Strähnen durch Färben oder Ausreißen eliminiert; seine Gesichtshaut war sorgfältig gebräunt. Mit seinem Aussehen hätte er sich durchaus beim Film bewerben können – in Italien, in den fünfziger Jahren. Wir ließen uns durch das freundliche, verbindliche Lächeln nicht täuschen, seine kalten braunen Augen sprachen dagegen. Myrna zeigte ihre Legitimation.
    »Kriminalinspektor Myrna Clavebo, das hier ist Kriminalinspektor John Holmberg. Dürfen wir ein paar Fragen stellen?«
    »Natürlich. Gehen wir doch in mein Büro. Maggie, nimm die Gespräche entgegen und sage, daß ich zurückrufen werde.«
    Als wir in seine Gemächer kamen, merkten wir, daß die Rezeption bestenfalls als Vorstudie des Architekten zu betrachten war, als kleines, belangloses Spiel. Hier hatte er so richtig zugeschlagen, mit einer Verwegenheit, die die schlimmsten Stilbrüche alter Filmmogule in den Schatten stellte. In gewisser Weise war der Mut zu bewundern, mit dem unverblümt herausgeschrien wurde, daß Geld die Welt regiert. Wer auf der Goldkiste sitzt, bestimmt die Ästhetik – diese Auffassung setzt sich langsam selbst in Schweden durch.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Frau Clavebo, Herr Holmberg.«
    Er wies auf die Besucherstühle an der anderen Seite des Schreibtischs. Die Sitzgelegenheiten hätte Carl Gustaf ohne zu zögern als Thron akzeptiert und aufgekauft. Wenn Napoleon in seiner großen Zeit Vontenius’ Stuhl als Kaiserthron gehabt hätte, wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, denn er hätte es nicht übers Herz gebracht, diesen Platz zu verlassen, um über Rußland herzufallen. Auf der schimmernden, leeren

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