Roland Hassel - 14 - Piraten
Schreibtischplatte protzten ein paar vergoldete Telefone.
Als wir so thronten, waren wir feierlich gestimmt. Der Fußboden bestand aus Steinplatten in verschiedenen Farben, darauf lagen wie Inseln Teppiche, mit denen man einen Teil der Staatsschulden hätte begleichen können. Wo uns die Gnade zuteil geworden war, sitzen zu dürfen, war der Boden kahl, so daß die Schuhe bei jeder Bewegung ein scharfes, hallendes Geräusch erzeugten.
»Was kann ich für die Polizei tun?«
Er lehnte sich zurück und klopfte mit den Handflächen leicht auf die protzigen Armlehnen. Einen Schlips, wie er ihn trug, würde ich mir kaufen, wenn ich einmal eine Million zuviel hätte.
»Es geht um Industriespionage«, erklärte Myrna. »Sie haben Geschäfte mit der AZW GmbH in Hannover gemacht, nicht wahr?«
»Ja.«
Trotz des kleinen Lächelns war er auf der Hut; von jetzt ab würde kein überflüssiges Wort über seine wohlgeformten Lippen dringen.
»Dazu gehörte der Austausch von technischem Material in Form von Dokumentationen und Datendisketten, nicht wahr?«
»Das stimmt.«
Myrna handelte nach ihren Instruktionen, von denen sie glaubte, daß sie sich auf wahre Sachverhalte gründeten.
»Einige geheime Informationen sind offenbar auf dem schwarzen Markt zum Verkauf angeboten worden. Wir möchten, daß Sie sich diese Fotografien ansehen und uns mitteilen, ob sie eine der Personen kennen.«
»Wer behauptet, daß Informationen gestohlen wurden?«
»Die Endkäufer des Materials. Mehr wissen wir nicht. Wir möchten nur, daß sie die Fotos betrachten.«
Er überlegte kurz, streckte dann die Hand aus und sagte:
»Es ist meine Pflicht, der Polizei zu helfen.«
Myrna reichte ihm ein Dutzend Schwarzweißfotos im Großformat. Darunter war ein Bild von Leon. Die Spezialisten hatten am Computer gute Arbeit geleistet; das angebliche Foto sah wirklich echt aus. Mit unbewegter Miene studierte er eine Fotografie nach der anderen und legte sie dann kommentarlos auf den Tisch.
Ich steckte die Hand in die Tasche und zog die Gummihaut von dem Aufnahmegerät. Myrna schaute zu Vontenius, und der konzentrierte sich auf die Bilder. Vorsichtig holte ich den Apparat heraus und versuchte, so gelangweilt wie möglich auszusehen. Plötzlich blieb ich am Saum der Tasche hängen. Das kleine Schächtelchen glitt mir aus der Hand.
In der nächsten Sekunde würde es mit einem Knall auf dem Steinfußboden landen.
18.
Die Muskeln und der Körper reagierten instinktiv. Es stand so viel auf dem Spiel, daß das Unbewußte die Regie übernahm. Ich tat, als krümmte ich mich in einem Hustenanfall und stieß mich gleichzeitig mit beiden Beinen ab, so daß die Stuhlbeine mit einem häßlichen Laut einige Zentimeter über den Boden kratzten. Diese Geräuschkulisse verschluckte das Aufschlagen des Abhörapparates. Vontenius schaute von den Fotos auf und warf mir einen erstaunten Blick zu:
»Was war denn?«
Ich entschuldigte mich:
»Ich bin es nicht gewohnt, so bequem zu sitzen.«
Diese Erklärung konnte er akzeptieren, denn sie war ein Kompliment an seinen Geschmack in punkto Sitzmöbel. So fuhr er fort, die Bilder zu studieren. Ich streckte die Hand aus, tastete mit den Fingerspitzen nach dem Schächtelchen, nahm es behutsam auf und klebte es an die edelhölzerne Unterseite des Stuhles. Absurd, verrückt, wahnsinnig – ich hatte völlig gesetzwidrig eine Abhöranlage installiert! Es war nicht die Raumtemperatur, die mir den Schweiß auf die Stirn trieb.
»Nein, leider kann ich Ihnen nicht helfen. Diese Personen sind mir ganz und gar unbekannt«, sagte Vontenius und gab den Stapel an Myrna zurück.
Myrna steckte die Bilder wieder in den Umschlag, und damit war unsere Mission beendet. Vontenius reichte uns zum Abschied die Hand, und wir verließen das Büro. Maggie sah aus, als könnte sie für acht senkrecht Hilfe gebrauchen, aber nun mußte sie allein klarkommen.
Weil Myrna die Gelegenheit nutzen und in der Hötorgshalle einkaufen wollte und weil wir schon einmal da waren und die Zeit bezahlt bekamen, gingen wir hinunter in das Himmelreich aus Fisch, Fleisch, Brot und Gemüse. Sie entschied sich für Beefsteak. Als sie das Hackfleisch gekauft hatte, setzten wir uns zu Kaffee und Tee an einen der kleinen Tische und beobachteten nebenbei Kunden beim Einkauf. Das bemerkenswerte an sowohl der Hötorgshalle als auch an der von Östermalm ist, daß selbst bei dickstem Publikumsverkehr keine gehetzte oder gereizte Stimmung aufkommt. Die gute Qualität der Waren
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