Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
Vom Netzwerk:
applaudieren, gibt es einen doppelten Salto als Zugabe …
    Aber niemand klatschte Beifall, und irgendwann hatte der Atlantik den Balanceakt satt, denn er hatte schon neuere, bessere Nummern gesehen; das hier taugte nur noch für Kinder. Hätte nicht wenigstens ein Klageschrei vom Schiff herübertönen müssen, als es in die nasse Umarmung des Atlantik glitt? Aber die Lungen waren wohl schon voller Wasser – oder gesprengt. Schneller und schneller versank die »Carla«, als scheute sie das Licht, als wäre sie müde und hätte die Lust am Leben verloren, als sehnte sie sich nach einem Ruhebett für die Ewigkeit. So würde aus diesem müden Schiff einst ein Luxuskreuzer in der Inselwelt des Elysiums werden – oder auch nur ein Lastkahn auf dem Styx …
    Plötzlich war die »Carla« verschwunden. Ein Wirbel, ein wenig Schaum, eine Woge, die von den Wellen des Meeres geglättet wurde, dann war alles vorbei. Ich zwinkerte und traute meinen Augen kaum. Etwas mußte doch bleiben, eine sichtbare Erinnerung, ein Astralkörper, irgend etwas. Doch die Wasseroberfläche war leer. Machec lachte und drehte den Daumen nach unten.
    »Der Ozean ist hier dreitausend Meter tief. Habt ihr in eurem Land überhaupt so tiefe Meere, Odler?«
    »Nein«, war alles, was ich herausbrachte.
    »Tja, der Atlantik hat seine Vorteile. Okay, fahren wir los!«
    Er gab ein Zeichen, und der Motor heulte auf. Nun brauchte er keine Angst mehr zu haben, von der Besatzung könnte jemand aufwachen. Die konnte niemand mehr wecken. Ich starrte weiter auf die Stelle, an der die »Carla« verschwunden war. Schwammen wirklich keine Menschen im Meer? Kämpfte in dem kalten, schwarzen Wasser niemand um sein Leben? Wie sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte außer den Schaumkämmen auf den Wellen nichts entdecken.
    Ich dachte an Chico mit seinem Haß, der keine Erlösung gefunden hatte und vielleicht niemals finden würde, einem Haß, der geboren, gesäugt, gefüttert und zu eiterigen Beulen ausgewachsen war, weil sich Yankees und Europäer – Deutsche, Briten, Schweden – mit dicken Brieftaschen die Befriedigung ihrer perversen Neigungen erkauften. Das letzte, was er in seinem von anderen vergeudeten Leben gesehen hatte, war ich gewesen. Im Gegensatz zu Sunny mußte er glauben, daß ich des Geldes wegen töten wollte.
    Ich dachte an Sunny, den glücklichen Sunny mit der warmen Seele und dem wachen Verstand, der sein Leben als Oberhaupt seines Clans mit seiner Isabella und den Kindern und Enkeln beschließen wollte. Nachdem er mir das Leben gerettet hatte, mußte er mit seinem bezahlen, weil er zu Johnny Swede gehalten hatte, dem unechten, dem falschen, dem heuchlerischen Freund, der behauptete, Steward zu sein. Hammelfleisch hatte er zuletzt zubereitet; jetzt war Fischfutter aus ihm geworden. Und ich dachte an Marcos und all die anderen mit ihren Träumen und Hoffnungen; jetzt waren sie in dreitausend Metern Tiefe in ständiger Dunkelheit.
    Auf das, was geschieht, nicht reagieren, hatte Hiller mir eingeschärft, nur mitspielen und Informationen sammeln. Was, hatte ich geglaubt, würde passieren? Sprengung, natürlich, das war ja die Voraussetzung, aber in meiner vernebelten schwedischen Seele, geformt von Tradition und Humanismus, in der dem Leben Wert und Bedeutung zukam, hatte ich mir eingebildet, die Leute würden in die Rettungsboote eilen und davonkommen, während das Schiff unterging. Kessel, hatte ich gelernt, können explodieren und die Mannschaft kann bezeugen, daß es so war. Ich großer verdammter Idiot hatte nicht zu Ende gedacht, hatte mir einen kaltblütigen Massenmord nicht vorstellen können. Nach all den Lektionen bei Hiller hätte ich eigentlich etwas ahnen müssen, doch es ist ein Unterschied zwischen einer Ahnung und einer konkreten Vorstellung.
    Wie viele waren ermordet worden? Im stillen rechnete ich schnell durch. Ich kam auf sechsundzwanzig. Über zwei Dutzend Leben, die … nein, sechsundzwanzig, keine diffusen Mengenangaben; jedes Leben zählte gleichermaßen. Sechsundzwanzig Menschen! War ich schuld daran? Hätte ich die Katastrophe verhindern können? Wäre mein Auftraggeber dann enttäuscht gewesen? Wie wichtig war die Aufgabe im Verhältnis zu dem, was ich mit eigenen Augen gesehen hatte? Egal, was noch geschehen würde, die sechsundzwanzig Seeleute waren nicht mehr zum Leben zu erwecken. Hatte ich mich also an einem Massenmord beteiligt?
    Der Motor wurde abgestellt und das kleine Rettungsboot der »Carla« vorsichtig zu Wasser

Weitere Kostenlose Bücher