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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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sogleich in die Kneipe ein, während ein Stück weiter ein älterer Ford Escort in eine freie Parklücke einbog. Ein paar Herren gehobenen Alters, die man instinktiv als Gentlemen bezeichnen konnte, stiegen aus und steuerten den »Lion« an; Pensionäre, die das Gute im Leben zu schätzen wußten. Vor dem Eingang blieben sie stehen und lasen die Tageskarte von einer Tafel ab. Ihrem Gespräch entnahm ich, daß sie zuerst essen und dann beim Dart-Spiel entscheiden wollten, wer die Rechnung bezahlen mußte.
    Der Besitzer hatte den Escort nicht abgeschlossen, denn ein Gentleman traut seinen Mitmenschen einen Autodiebstahl nicht zu. Ich öffnete die Tür und setzte mich hinter das Lenkrad, ohne mich dabei verstohlen umzusehen. Den Schlüssel hatte er mitgenommen; vielleicht vertraute er seinen Nächsten doch nicht ganz hundertprozentig. Es war ein einfacher Ford ohne Sicherheitseinrichtungen. Ein schwedischer Halbwüchsiger, der in eine normalschlechte Gesellschaft geraten war, hätte ihn in zehn Sekunden kurzgeschlossen und gestartet. Ich brauchte eine knappe Minute, aber ich war auch nicht in Übung. Auf dem Beifahrersitz lag eine karierte Sportmütze, die ich mir aufsetzte und tief ins Gesicht zog. Was ich sagen würde, wenn die Gentlemen es sich anders überlegten und zum nächsten Pub fahren wollten, wußte ich noch nicht. Manchmal muß man ganz aus der Situation heraus handeln.
    Ein rotlackierter Rover hielt an, ließ Machec einsteigen und fuhr sofort weiter. Vorsichtig parkte ich aus und ordnete mich fünf oder sechs Fahrzeuge hinter dem Rover ein. Ich war nervös, weil ich an den Linksverkehr nicht gewöhnt war und ständig umdenken mußte. Wie weit es bis London war, wußte ich nicht, doch der Tank war drei Viertel voll; das mußte reichen.
    Im Handschuhfach entdeckte ich eine Sonnenbrille, die ich benutzte, um meine Tarnung zu vervollständigen. Leider hatte mir der Besitzer keine Pfundscheine oder Münzen hinterlassen – ich hätte, ohne zu zögern, alles gestohlen. Mit dem Autodiebstahl hatte ich die Grenze überschritten. Und für einen, der an einem Massenmord an sechsundzwanzig Menschen teilgenommen hatte … Der Gedanke schnürte mir die Kehle zu. Sunny, Sunny, du hast mir das Leben gerettet … Nein, das mußte ich verdrängen; ich durfte nur an meinen Auftrag denken.
    Nach und nach wurden die Straßen breiter und der Verkehr dichter. Wir fuhren durch Ortschaften, die ich kaum wahrnahm, weil ich mich darauf konzentrieren mußte, auf der richtigen Straßenseite zu bleiben. Wimborne Minster, Lyndhurst, Romsey, Straßen und Kreuzungen und große Kirchen, aber ich registrierte sie nur aus den Augenwinkeln und war froh, daß der Rover eine so auffällige Farbe hatte und dadurch leicht zu verfolgen war. Wenn er wollte, konnte er den Escort in wenigen Augenblicken hinter sich lassen, doch im Reich der Briten fährt man weich und ruhig, und außerdem rechnete wohl niemand damit, beschattet zu werden.
    Die Stunden vergingen, und wir näherten uns der Weltstadt. Der Verkehr wurde immer dichter, bis wir schließlich nur noch dahinschlichen. Ich kannte London ein wenig, weil ich einmal dienstlich dort gewesen war; Virena hatte mich auf eigene Kosten begleitet. Doch Auto war ich in diesem Großstadtdschungel noch nie gefahren. Das Risiko, mit dem dunkelgrauen Escort im dichten Verkehr aufzufallen, war verschwindend gering, also hielt ich mich ran, bis nur noch drei Fahrzeuge zwischen uns waren.
    Im Zentrum kannte ich mich einigermaßen aus. Der Rover fuhr über Embankment in Richtung Charing Cross, bog dann scharf nach links ab und hielt vor der Einfahrt eines Parkhauses. Eine Hand zog ein Billett, dann glitt der Wagen sanft die Betonauffahrt hinauf. Ich stellte den Escort dort ab, wo garantiert kein Auto stehen durfte, und schaltete den Motor aus, indem ich die Kabel trennte. Im Seitenfach der Tür steckte eine alte Zeitung, und ich nahm sie mit. In alter Fahndermanier postierte ich mich in einem Eingang schräg gegenüber von dem Parkhaus und hielt den »Mirror« vor das Gesicht. Über der Zeitung waren lediglich die karierte Sportmütze und die Sonnenbrille zu sehen.
    Da ich das Blatt so dicht vor Augen hatte, konnte ich die Schlagzeilen gar nicht übersehen. Aha, ein deftiger Doppelmord in einem Vorort; außerdem war eine junge Frau in ihrem Reihenhaus geschlachtet worden. Mord und Mord und Mord. Mord zu Lande, Mord zur See, Mord überall, wo sich Menschen an die Kehle springen, wo man auch nur eine lumpige Krone

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