Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
Vom Netzwerk:
nichts verraten. »Nein, so schlimm ist es gar nicht.« Außer Mord und Entführung, dachte sie im Geiste den Satz zu Ende.
    »Keiner kommt freiwillig nach Helgoland, wenn er nicht hier geboren ist.«
    »Bist du hier geboren?«
    »Nein. Ich bin Sven gefolgt.« Britta lachte laut, als sie Annas erstauntes Gesicht sah. »Na egal. Wenn mal was ist, wenn du Scherereien mit deinem Kerl hast, sag es mir oder Sven.«
    »Ich danke dir.« Leise Hoffnung keimte in Anna auf, hier eventuell eine Verbündete gefunden zu haben.
    »So, ich denke, die werden für den Anfang reichen. Kannst aber jederzeit mehr bekommen. Musst nur sagen.« Sie drückte Anna sechs große Talglichter in die Hand. »Und nun was zu essen. Komm mit.«
    Anna folgte ihr in den hinteren Teil des Häuschens, den eine offene Feuerstelle dominierte.
    Einige Töpfe waren an Bändern unter der Decke befestigt, und ein Holzblock, auf dem ein ausgenommener Fisch lag, stand in der Mitte.
    Britta zog einen Vorhang zurück, hinter dem sich prall gefüllte Regalbretter mit Lebensmitteln befanden. Sie begann, Brot, Milch, Mehl, Fisch, schrumpelige Äpfel, zwei Töpfe Kompott und etwas mehr zusammenzupacken. Dann hielt sie kurz inne. »Trinkst du Bier?«
    »Ja, wenn es welches gibt.«
    Daraufhin zog sie noch einen Krug vom Regal. »Das wird reichen. Morgen könnt ihr bei Heikes Mutter etwas kaufen. Sie wohnt im ersten Haus, vorne am Anleger. Aber lasst euch nicht über den Tisch ziehen, is ’ne geldgierige alte Krähe.« Sie lachte.
    »Ich danke dir vielmals, das ist mehr als genug, und ich fürchte, das Geld wird nicht reichen.« Anna reichte ihr die zwanzig Pfennig.
    »Lass mal stecken.«
    »Aber es sind viele Lebensmittel, Britta.«
    »Davon hama genug, wie de siehst.« In der Tat hatten die beiden mehr zu essen als manch ein Bremer. Selbst ihre Speisekammer zu Hause war nicht immer so gut gefüllt.
    »Vielen Dank. Dann gehe ich jetzt.«
    »Verlauf dich aber nich.« Britta zwinkerte und schloss hinter ihr die Tür.
    Noch nie hatte Anna eine Frau wie sie kennengelernt. Sie war beinahe wie ein Mann, so selbstsicher, mutig und offen, auch wenn sie ganz und gar nicht wie einer aussah.
    »Ich wollte schon nach dir suchen.« Mit diesen Worten und einer finsteren Miene empfing Heinrich sie. Sie war nicht einmal zehn Minuten weg gewesen – offenbar war es für ihn zu lange. Heike richtete gerade die Betten in den Butzen her.
    »Ich musste warten, bis Britta alles zusammengestellt hatte.«
    »Und worüber habt ihr geredet?«
    »Über das hier.« Wütend entlud sie ihre vollen Arme auf den Tisch.
    Heike schüttelte eine Decke aus und sah verstohlen zu ihnen herüber. Heinrich bemerkte es und fuhr flüsternd fort:
    »Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen.«
    »Bin ich etwa weggelaufen?« Langsam stieg Wut in ihr hoch, die sie nur mühevoll im Zaum halten konnte.
    »Du kannst nirgendwo hin! Hast ihrem Mann schöne Augen gemacht?«
    »Der war nicht mal da! Und nun beruhig dich.«
    Doch Heinrichs Augen sprühten vor Zorn. Wütend trat er gegen einen kaputten Schemel und verließ das Haus. Heike zuckte zusammen, machte aber unbeirrt weiter. Anna begann, ihr mit einem entschuldigenden Lächeln beim Aufräumen zur Hand zu gehen, als sie ein Messer entdeckte, welches am Boden lag. Es hatte eine verrostete Klinge, aber sie nahm es schnell und versteckte es in der Tasche ihres Umhangs.

19
    Zwei der ausgesandten Kriegsknechte kehrten nach fünf Tagen von ihrer Suche zurück. Umgehend erstatteten sie dem Erzbischof, der Claas hinzuholte, Bericht. Ein Bauer hatte von Weitem einen Priester und eine Nonne gesehen, die am Tag nach Annas Verschwinden bei Burg den Fluss Lesum überquert hatten. Er hatte sich gewundert, dass sie nicht die nahe gelegene Brücke benutzt hatten und stattdessen durch das kalte Wasser geschwommen waren.
    Claas, der wieder auf den Beinen war, sah sich den Ort Burg auf der großen Karte an, welche auf dem Tisch ausgebreitet lag. Mit dem Finger fuhr er die Strecke nach, die Anna und Heinrich dorthin zurückgelegt haben mussten. »Dann waren sie auf dem Weg zur Küste«, schloss er.
    »Würde ich auch annehmen. Wichtig ist erst mal, dass sie lebt. Aber die Küste ist lang. Wo genau sind sie hingegangen?« Als Hemeling von der Neuigkeit gehört hatte, war er mit einer großen Landkarte bei Claas im Krankenzimmer von St. Petri erschienen.
    »Ich weiß es nicht, aber ich werde sie finden, und je eher ich mich auf den Weg mache, desto größer sind meine Aussichten.«

Weitere Kostenlose Bücher