Rolandsrache
beides, doch er schüttelte nur den Kopf, und so schob sie die Sachen zurück in ihre Tasche. Er hatte alle Werkzeuge aufgeräumt, nur der Klöppel ihres Vaters lag auf dem Tisch, vor dem er seine letzte Arbeit verrichtet hatte. Der Griff war bereits ganz abgenutzt, und als sie damals gefragt hatte, warum er sich keinen neuen kaufe, meinte er lachend, dass seine Hand sich an diesen so gut gewöhnt habe, dass er keinen anderen wolle.
Anna nagte an ihrer Unterlippe. »Claas, glaubst du auch, dass diese Männer wirklich wiederkommen könnten? Hemeling befürchtet es und hat uns deswegen eine sichere Werkstatt in der Stadt angeboten.«
»So, hat er das? Wenn es hier so gefährlich ist, frage ich mich, wieso du allein herkommst?«
Darauf wusste sie keine Antwort, denn wenn sie ehrlich war, hatte sie nicht darüber nachgedacht.
»Was, wenn sie uns auf dem Weg auflauern, während wir die Teile in die Stadt transportieren?«, fragte er verbittert.
»Willst du lieber hier neben den Steinblöcken dein Lager aufschlagen?«
»Besser hier, als mich auf die Oberen verlassen.«
»Um die nächsten zehn Monate zu leben wie ein Tier, gefangen in dieser Scheune?« Sie sah ihn herausfordernd an, und abrupt ließ er ihre Hand los, die er die ganze Zeit über gehalten hatte.
»Deine spitze Zunge hast du nicht verloren.«
»Dafür gibt es auch keinen Grund.« Etwas versöhnlicher fügte sie hinzu: »Sieh es doch ein, wir haben keine andere Wahl, so ohne Schutz hier draußen.«
»Doch, die haben wir. Ich habe meine Mutter vorhin bei ihrer Abreise gebeten, uns meine beiden Brüder zu schicken. Ich verlasse mich lieber auf meine Familie als auf die Ratsherren, den Vogt oder seine Büttel.«
Sie ging nicht auf seine weitere Spitze ein, denn die Freude, dass sie Unterstützung erhielten und somit nicht in die Enge der Stadt ziehen mussten, überwog. »Franziskus und Stephan kommen?«
»Ja. Ich glaube nicht, dass sie ablehnen werden.«
»Können wir ihre Dienste denn entlohnen?« Trotz der guten Nachricht runzelte Anna die Stirn; fleißige Arbeiter waren teuer, und sie wusste noch nicht, wie viel Geld von der Vorauszahlung noch da war.
»Sie verlangen nicht viel, ein wärmendes Feuer während der Nacht und eine deftige Mahlzeit am Tag, dann sind die beiden zufrieden.«
»Oh, das ist ja wunderbar.« Ihr Zorn verrauchte, und endlich sah sie auch auf seinem Gesicht wieder den Anflug eines Lächelns. »Wann kommen die beiden, und was werden sie tun?«
»Ich hoffe, dass sie bereits in einer Woche hier sein können. Sie werden Wache halten, die Arbeit beschützen und helfen, wo es nötig ist.«
»Wir hätten nicht streiten müssen, wenn du es nur gleich gesagt hättest.« Schmollend verzog sie die Mundwinkel.
»Vielleicht mag ich es, wenn deine Augen böse funkeln.« Er grinste breit. Sie schnappte entrüstet nach Luft und stemmte die Hände in die Hüften, worauf er sofort abwehrend die Hand hob.
»Lass es gut sein, Anna.«
Er wusste ganz genau, was er tun musste, um sie böse zu machen, das war schon immer so gewesen, und er schien seine Freude daran zu haben. Als sie jedoch in seine blauen, von schwarzen Wimpern umrandeten Augen sah, waren plötzlich die kleinen Schmetterlinge wieder da, die so oft in seiner Gegenwart in ihrem Bauch kreisten. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, und einen Moment sah auch er sie einfach nur an. Die kleinen Lachfältchen um seine Augen vertieften sich eine Spur, ohne dass er den Mund verzog. Langsam kroch ihr die Wärme ins Gesicht, und sie wusste, dass sie rot bis zum Haaransatz sein musste. Verärgert über sich selbst beendete sie das Schweigen.
»Hat mein Onkel dir gegenüber gesagt, wann sie wieder abreisen wollen?«
Er stutzte. »Nein, hat er nicht. Aber warum fragst du ihn nicht selbst?«
»Lieber nicht.« Missbilligend verzog sie das Gesicht und schaute verlegen auf ihre Schuhe.
»Was hat er dir getan? Deinem Blick nach zu urteilen bist du nicht gut auf ihn zu sprechen.«
»Nein, bin ich auch nicht.« Anna erzählte ihm von dem Testament und der Diskussion mit ihrem Onkel.
Als sie geendet hatte, nickte Claas. »Sicher will er schnell wieder nach Hause und euch vorher versorgt wissen. Dein Vater hat es gut gemeint, und ich glaube, dein Onkel ist auch in Sorge.«
»Du wirst bestimmt recht haben. Aber ich werde keinen alten Witwer heiraten, und meine Mutter auch nicht.« Sie machte eine unterstreichende Geste mit dem Zeigefinger.
Claas trat plötzlich ganz dicht vor sie und ergriff
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