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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Riedt
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sich sicher.
    Beherzt wollte Anna nach dem Schloss greifen, das immer vor der großen Doppeltür hing, doch ihr Griff ging ins Leere, und sie starrte verwirrt auf die schlosslose Metallschlaufe. Die Tür war nur angelehnt, und im selben Moment vernahm sie ein leises Rumoren aus dem Inneren der Werkstatt. Sofort begannen ihre Finger zu kribbeln, und ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust.
    Konnten die Mörder zurückgekehrt sein? Zerstörten sie die letzten unversehrten Teile? Wenn, dann schwebte sie in ernster Gefahr. Hätte sie doch nur auf ihren Onkel gehört! Lauf, schrie alles in ihr, doch ihre Füße gehorchten ihr nicht. Sie wollte wissen, wer die Mörder waren, und offenbar war sie noch nicht entdeckt worden. Vielleicht konnte sie einen kurzen Blick riskieren, ehe sie ihre Beine in die Hand nehmen und laufen würde. Möglich, dass sie ein Gesicht erkennen konnte.
    Mit zitternden Fingern umfasste sie den Griff, und dabei fiel ihr auf, dass Tür und Schloss unversehrt waren. Das Schloss hing, wie immer, wenn die beiden Männer hier gearbeitet hatten, an seinem Haken. Hier war niemand mit Gewalt eingedrungen! Vater, schoss es ihr freudig durch den Kopf, aber sogleich wusste sie, dass es widersinnig war, und aus der aufkeimenden Freude wurde augenblicklich düstere Enttäuschung. Sicher war es Claas. War seine Hütte nicht dunkel gewesen? Anna holte tief Luft, bevor sie es wagte, ganz vorsichtig ins Innere zu spähen. Es lag kaum mehr Staub auf dem Boden, und die zerstörten Teile der Statue standen aufgeräumt in einer Ecke, die unbeschädigten in einer anderen.
    Sie betrat die Halle und sah sich weiter um. Die Blutspuren waren kaum noch zu sehen; jemand hatte versucht, die Stellen zu reinigen, und etwas hellen Steinstaub darüber ausgeschüttet. Die Werkzeuge lagen aufgestapelt auf einem Regal.
    »Anna, was tust du hier?« Claas trat zwischen den unbearbeiteten Blöcken hervor und sah sie überrascht an. Sie fuhr leicht zusammen, legte dann ihre Hand auf ihr Herz und atmete erleichtert ein. »Herrgott im Himmel, du bist es wirklich.«
    Um den Kopf trug er keinen Verband mehr, und seine freie Hand war weiß vom Staub, ebenso wie seine Arbeitskluft, die er gegen seine gute Kleidung vom Vormittag getauscht hatte.
    »Ja, ich bin es. Doch was machst du hier?«
    »Ich habe es drüben im Haus nicht mehr ausgehalten und wollte etwas aufräumen.«
    »Dass es hier noch immer nicht sicher ist, scheint dir nichts auszumachen. Du bist unvorsichtig.«
    »Das habe ich schon einmal gehört.« Anna machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Von wem auch immer, er hat recht damit.«
    Ihre eben verrauchte Wut stieg sogleich wieder auf, und sie ärgerte sich, dass sie nicht umgekehrt und heimgegangen war. Warum mussten sie immer alle bevormunden wollen?
    »Lass uns nicht gleich streiten, ich bin einfach in Sorge um dich«, lenkte er überraschend schnell ein.
    »Brauchst du nicht«, erwiderte auch sie etwas versöhnlicher und wechselte das Thema. »Hast du das alles gemacht?« Sie deutete in den Raum.
    »Nein, dein Onkel hat vorhin geholfen, ich hätte schwerlich allein die Blöcke schieben können.« Zur Untermalung hob er seinen verbundenen Arm leicht an, der noch immer in der Schlaufe um seinen Hals ruhte.
    »Ich bin doch auch noch da, hättest du nur etwas gesagt.«
    »Sicherlich hättest du dann die Steinquader allein geschoben.« Er blinzelte sie frech an, und seine vorwitzigen Grübchen zeigten sich etwas.
    »Für wenige Ellen hätte es sicher gereicht«, gab sie mit einem honigsüßen Lächeln zurück, was ihn sichtbar irritierte und sie wiederum erfreute.
    »Wahrlich, du bist zwar eine starke Frau geworden, Anna, aber ich hoffe doch in anderer Hinsicht«, gab er anzüglich zurück.
    »Claas!«, empörte sie sich, obwohl seine Worte sie mit Stolz erfüllten. Nie zuvor hatte er sie als Frau bezeichnet, immer nur als Mädchen.
    Versöhnlich hob er die Hand. »Schon gut. Ich wollte sehen, wie groß der Schaden an der Statue ist.«
    »Und wie schlimm ist es, kannst du das schon sagen?«
    »Ja. Wir haben vorerst nicht mehr genug Elmstein, das ist die schlechte Kunde.«
    »Oh nein. Soweit ich weiß, dauert allein der Transport der Quader viele Wochen, von den Kosten ganz zu schweigen.« Sie klang verbittert und schloss die Tür, durch die der Wind nun unangenehm kühl in die Halle blies und den zusammengekehrten Staub umherwirbelte.
    »Nein, es ist nicht so schlimm, wie es scheint.« Er schüttelte den Kopf. »Ich war bei der Zunft,

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