Rolandsrache
und man gibt mir Bescheid, sollten sie noch welchen beschaffen können. Andernfalls habe ich schon eine Idee. Komm, wenn du willst, zeig ich dir, was ich mir überlegt habe.«
Er hielt ihr seine gesunde Hand entgegen, und Anna ließ sich nur zu gern von seiner Zuversicht anstecken. Sie stellte ihre Mitbringsel ab und legte ihre Hand in seine. Sein Griff war kräftig, aber gleichzeitig sanft, und sie spürte wie rau seine Handflächen von der dauernden Arbeit mit den Steinen waren.
»Wie geht es deinem Arm?«
Sein Blick verfinsterte sich einen Moment. »Der Bader sagt, es wird noch Wochen dauern, bis er zu gebrauchen ist. Aber er glaubt, dass ich ihn wieder ganz normal werde bewegen können.«
»Eine lange Zeit, aber das Wichtigste ist doch, dass er nicht für immer zu Schaden gekommen ist. Wie ich sehe, verheilt die Wunde an deinem Kopf bereits gut.«
»Ja, das war das kleinste Übel.« Er betrachtete sie einen Moment nachdenklich. »Du siehst müde aus.«
Sie senkte verlegen ihre Lider und sah auf ihre Schuhe, die bereits von einer dünnen weißen Staubschicht überzogen waren. »Ich bin wirklich müde. Es war ein schwerer Tag, und am liebsten wäre ich ins Bett gekrochen, aber ich hatte keine Ruhe.«
»Ich weiß, mir ging es heute ebenso. Und was macht deine Mutter?«
Tief holte Anna Luft, sah nach oben zu den kleinen Nestern, die im Frühjahr die Schwalben bewohnten, jetzt jedoch zerfleddert und verwaist zwischen den schweren Balken hingen. Mühsam riss sie sich davon los, da Claas, der ihrem Blick gefolgt war, auf eine Antwort wartete. »Sie hat die ganze Zeit geweint, aber jetzt schläft sie.«
Er nickte wortlos und strich ihr mit dem Daumen über den Handrücken. »Es wird besser werden, und die Schwalben kehren auch zurück. Doch nun komm.«
Claas zeigte ihr die verschiedenen Steinblöcke und erklärte geduldig, dass nicht so viel beschädigt war, wie er anfangs geglaubt hatte. Die meisten Arbeiten waren zu retten und ließen sich mit ein bisschen gutem Mörtel reparieren, auch die Beine, bei denen nur die Metallspitzen an den Knien erneuert werden mussten, waren noch zu gebrauchen. Ein Schmied würde wissen, was genau hier zu tun wäre.
»Diese Männer waren nicht kundig und dachten wohl, dass ihr Zerstörungswerk ausreichen würde. Mit dem Rumpf wird es am schwierigsten, bei dem Wappen jedoch gibt es keine Hoffnung, das müssen wir neu machen. Wir könnten Oberkirchner Sandstein nehmen, wenn wir keinen Elmstein mehr bekommen. Dein Vater und ich haben sie schon mehrfach gemischt, und die bunten Steine gefielen den Leuten recht gut.«
Sie wusste aus der Erinnerung, wie hübsch es aussah, wenn grauer und roter Stein im Wechsel verarbeitet wurde, doch sie zweifelte. »Aber was wird Hemeling sagen, wenn er doch Elmstein wollte und bereits einen großen Teil bezahlt hat?«
»Was wird ihm übrig bleiben, wenn die Statue erst fertig ist? Wir verlangen dann einfach weniger Entlohnung und ziehen den Betrag, den der Oberkirchner weniger kostet, davon ab.« Claas nahm es sichtbar leicht, aber Anna glaubte nicht, dass es so einfach werden würde.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eine kleine Maus hinter dem Steinblock hervorlugte, wobei sie vorwitzig das winzige rosa Näschen schnüffelnd in die Luft hielt. Claas hatte sie nicht bemerkt, und so griff Anna heimlich in ihre Tasche, brach etwas von dem Käse ab und warf es dem putzigen Tierchen hin, das sich zu Annas Bedauern erschrocken zurückzog.
Schulterzuckend nahm sie das Gespräch mit Claas wieder auf, die Maus würde sich den Leckerbissen sicher holen, wenn es ruhig in der Halle war.
»Wenn ich Hemeling das nächste Mal sehe, werde ich mit ihm reden.«
Er betrachtete sie nachdenklich. »Scheinst gern mit ihm zu reden.«
Hatte sie eben einen hämischen Zug um seine Mundwinkel gesehen? Sie war sich nicht sicher. »Ich habe einmal mit ihm allein geredet, nicht öfter.«
»Ich weiß. Aber einen schlafenden Wolf soll man nicht wecken, wenn das Schaf beinahe entkommen ist.«
»Ich glaube, Hemeling ist ein netter Mensch, er wird bestimmt mit deinem Vorhaben einverstanden sein. Ich habe Vater einmal geholfen, als er einen Brunnen für die Kirche baute und verzierte. Auch da mischte er die Steine, und dem Bischof hat es sehr gut gefallen. Ich denke, dass es Hemeling und seinen Ratsherren auch gut gefällt.«
»Dann wollen wir es so halten.«
Sie setzten sich auf die alte Holzbank. Anna holte das Brot und den Käse hervor und reichte Claas wortlos
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