Rolandsrache
entging es nicht. »Vielleicht solltest du noch etwas ruhen, immerhin warst du sehr krank.«
»Nein, das ist es nicht.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich glaube, ich weiß nun, wer hinter allem steckt.« Betrübt blickte sie auf ihre Finger.
»Was?« Erstaunt beugte Claas sich vor. »Wer ist es, sprich.«
»Kein Geringerer als Heinrich.«
»Der?«, entfuhr es Claas, und er riss ungläubig seine Augen auf. »Wie kommst du darauf?«
»Wie du weißt, hatte ich die Feinde des Kaisers im Verdacht, doch Wegener bekam heraus, dass sie die Veränderung durch den Roland willkommen heißen.«
Claas nickte.
»Außerdem dachte ich an Friedrichs, doch nach allem, was wir jetzt wissen, wird er es nicht gewesen sein. Bleibt noch die Kirche. Sicher entsinnst du dich an deine Beobachtung in der Taverne, als ein Priester dem Büttel Rudolfus Gold gab?«
»Natürlich.«
»Dieser Priester trug feine Lederstiefel, oder?«
»Ja.«
»Heinrich auch! Bei den anderen Treffen ist es mir entweder nicht aufgefallen, oder er hatte sie nicht an. Letzte Woche jedoch trug er welche.«
»Hm. Das beweist aber nichts. Viele Menschen tragen derartige Stiefel.«
»Das ist ja auch nicht alles. An dem Tag, als der Narbige mich verfolgt hatte, war ich in der Kirche, um zu beten. Plötzlich sagte eine Frau zu mir, dass ich meine Finger von ihrem Priester lassen solle. Diese Frau war Gudrun.«
Claas goss ihnen Wein ein und leerte seinen Becher in einem Zug. »Was hatte Gudrun mit …« Er stockte. Bei seiner Erkenntnis ließ er die Schultern hängen. »Aber natürlich! Der Mann, der sie für die Informationen bezahlte, war Heinrich, und sie muss dich mit ihm gesehen haben!«
»Das denke ich auch. Als ich das erste Mal in Heinrichs Schreibkammer war, dachte ich bei mir, er müsse ein sehr wichtiger Kirchenmann sein, denn auf seinem Tisch lag ein Dokument mit dem Siegel des Kaisers.«
»Die gestohlene Urkunde aus dem Rathaus«, platzte Claas heraus.
Anna nickte. »Leider konnte ich nicht sehen, was darauf geschrieben stand, aber es wäre immerhin möglich.« Sie nahm ebenfalls einen Schluck, ehe sie weitersprach. »Nun kommt das Eigentliche. Mechthild erzählte mir von ihrer Vermutung, dass der Narbige vergiftet wurde.«
»Und?«
»Aber sie hat es den Bütteln nicht gesagt, weil sie nicht sicher war. Sie wollte zuvor noch ein paar Untersuchungen durchführen. Erinnerst du dich an den Besuch beim Erzbischof, als ich dummes Weib Heinrich alles haarklein erzählt habe?«
Behutsam streichelte Claas Annas Schulter. »Ich war dabei und konnte nicht glauben, was du tatest.«
»Ich weiß.« Sie seufzte. »Heinrich sagte: ›Möglich, dass die Kumpane vom Narbigen auch schon vergiftet in der Weser treiben.‹ Keiner außer uns und vielleicht Mechthilds Familie weiß etwas von Gift.«
»Außer … er ist der Mörder«, ergänzte Claas, und ein leiser Pfiff kam über seine Lippen.
»Genau.«
»Mein Gott!« Claas stand auf. »All das ergibt einen Sinn. Wir sollten zum Wachhaus gehen und dort sagen, was wir wissen.«
Energisch schüttelte Anna den Kopf. »Nein. Ich hatte die letzten Tage Zeit zum Nachdenken. Wir haben keine Beweise. Gudrun und Georg sind tot und können nichts mehr bezeugen. Und weißt du, welche Büttel Heinrich sonst noch bezahlt? Was mit Leuten geschieht, die gegen eine hohe Person falsches Zeugnis ablegen, ist dir sicher bekannt. Er wird bestimmt alle Spuren, die zu ihm führen, beseitigt haben.«
»Aber wir können auch nicht einfach abwarten. Wie du siehst, schreckt er selbst vor Mord nicht zurück. Wer sagt uns, dass er es nicht noch einmal versucht?«
»Er weiß nicht, dass ich ihn durchschaut habe. Wir müssen nachdenken, ehe wir etwas Falsches tun.«
»Und Hemeling?«
»Der wird uns im Moment auch nicht weiterhelfen können. Nach wie vor müssen wir die Kumpane vom Narbigen finden, falls sie noch am Leben sind. Und wir brauchen das Schriftstück aus Heinrichs Schreibkammer.«
»Aber nachdem du Heinrich alles erzählt hast, wird er die übrigen Männer sicher schon längst aus dem Weg geräumt haben«, gab Claas zu bedenken.
»Ja, ich weiß, aber etwas anderes haben wir im Moment nicht.«
Obwohl Anna sofort mit der Suche nach den Männern beginnen wollte, hatte Claas sie sanft, aber bestimmt gezwungen zu warten, bis sie vollkommen genesen wäre. Auch Mechthild, die noch zweimal nach ihr sah, predigte, dass man mit einer Lungenentzündung nicht leichtfertig umgehen sollte.
»Hast du zuvor eigentlich nichts
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