Rolf Torring 001 - Das Gespenst
gerade der Kopf dieses Affen hat ja nur in seiner Jugend Ähnlichkeit mit dem des Menschen.
Aber dieser furchtbare Kopf mit den glühenden Augen, die immer noch den Panther anstarrten, trug menschliche Züge. Jetzt wandte er sich und blickte einige Sekunden zu uns herüber, fletschte die Zähne und starrte dann wieder den Panther an, der begonnen hatte, sein Opfer anzuschneiden.
Jetzt beugte sich Rolf leise zu mir und flüsterte mir ins Ohr: „Hans, das ist doch ein Mensch!"
Wir starrten beide zum Farngebüsch hinüber. Das rätselhafte Wesen war dort herausgetreten, lautlos, mit Bewegungen, die an das Gleiten einer Schlange erinnerten. Ja, es war ein Mensch, aber er schien doch ein halbes Tier zu sein. Wie eine Mischung zwischen großem Affen und Neger kam er mir vor. Um die Hüften trug er einen braun und gelb gemusterten malaiischen Sarong als einziges Kleidungsstück. Der gewaltige Oberkörper war auf der Brust dicht behaart, während der Rücken und die mächtigen Arme das tiefe Schwarz eines Negers aus Zentralafrika zeigten. Dem entsprach auch seine Waffe, die er jetzt mit dem rechten Arm hob, ein riesiger Massai-Speer mit enorm breiter und schwerer Eisenspitze. Außerdem trug er noch an der Rotangschnur, die den Sarong um die Hüften zusammenhielt, einen breiten Klewang - das malaiische Schwert, und einen Kris - den malaiischen Dolch. Wir hielten fast den Atem an, denn offenbar wollte dieses rätselhafte Wesen den schwarzen Panther angreifen. Und obwohl wir beide schon oft dem größten und gefährlichsten Wild, den berüchtigten „Rugues", den wild gewordenen Elefantenbullen und den heimtückischen Kaffernbüffeln entgegengetreten waren, hätten wir uns doch reiflich überlegt, einen schwarzen Panther nur mit Speer und Säbel anzugreifen.
Der Panther war so eifrig mit seinem Opfer beschäftigt, daß er die drohende Gefahr hinter sich nicht bemerkte. Und der schwarze Riese glitt einige Schritte näher an ihn heran, hob den mächtigen Arm mit dem schweren Speer noch höher und stieß plötzlich den wilden, unheimlichen Schrei aus, den wir schon einmal aus der Ferne gehört und uns nicht zu deuten gewußt hatten. „Matjang tutul itum", der schwarze Panther schnellte bei diesem grauenhaften Gebrüll herum, aber da durchschnitt schon der schwere Massai-Speer, von dem unheimlichen Riesen mit furchtbarer Gewalt geworfen, wie eine blitzende Flamme die Luft. Die schwarze Raubkatze wurde dicht hinter dem Schulterblatt getroffen. Und so gewaltig war die Wucht des Wurfes, daß die breite Eisenspitze im aufgebäumten Körper des Panthers verschwand, der wie ein leichtes Bündel zur Seite geschleudert wurde. In das aufheulende Fauchen des tödlich verwundeten Tieres mischte sich der nochmalige, brüllende Schrei des schwarzen Riesen, der jetzt in der hoch erhobenen Faust den Klewang schwang.
Die zähe Katze suchte trotz des schweren Speeres in ihrem Leib sich dem Feinde entgegen zuwerfen, um ihn im Todeskampf noch zu zerreißen, aber ein furchtbarer Hieb mit dem breiten Schwert warf den schweren Körper leblos zur Seite.
Ich hatte meine Büchse erhoben und ließ das unheimliche Wesen, das da so schnell und sicher den gefährlichen Panther erlegt hatte, nicht aus dem Auge und war fest entschlossen, sofort zu schießen, falls der Riese irgendeine verdächtige Bewegung gegen uns machen sollte. Aber der Übermensch beachtete uns gar nicht, steckte den Klewang in die merkwürdig geformte Holzscheide zurück, riß mit kräftigem Ruck seinen Speer aus dem Körper des Panthers und band sich die Waffe mit einer Rotangschnur, die er aus dem Sarong zog, schnell an die Seite, so daß sie wie ein Gewehr neben ihm hing.
Dann - kaum glaubte ich meinen Augen trauen zu dürfen - packte er den Tapir und warf sich das mehrere Zentner schwere Tier mit leichtem Ruck auf die Schulter. Es machte den Eindruck, als nähme er ein ganz unbedeutendes Paket hoch. Was mußte dieser unheimliche, rätselhafte Mensch für gewaltige Kräfte besitzen! Und schon wollte ich wieder glauben, daß es doch kein Mensch, sondern vielleicht ein noch unbekannter Riesenaffe sei, der sogar den Gorilla an Größe und Kraft überträfe - aber woher kamen dann die menschlichen Waffen? Da drehte sich der Riese um, fletschte uns mit wütendem Ausdruck an und verschwand mit seiner schweren Last wie ein Wiesel im dichten Untergehölz, das die Lichtung umsäumte.
Wie ein schwarzes, unheimliches Gespenst war er urplötzlich aufgetaucht, hatte einen tollen Spuk vor
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