Rolf Torring 001 - Das Gespenst
hier warten."
„Nein, Rolf", protestierte ich, „wir wissen doch nicht, ob er schon zurückgekehrt ist. Und vielleicht befindet sich das Mädchen in einer Lage, daß sie nicht selbst heraus kann. Nein, wir müssen unbedingt in den Felsspalt hinein." Damit legte ich energisch den Rucksack ab und machte Anstalten, in die schmale Öffnung einzudringen. Aber Rolf schob mich zur Seite, zog seine Taschenlampe und Pistole heraus und zwängte sich in den engen Spalt des Felsens. Ich folgte ihm etwas ärgerlich, denn ich wäre gern als Erster zur Rettung Ellen Abednegos in den Berg eingedrungen. Aber der Anblick, den Rolfs Laterne jetzt enthüllte, ließ mich schweigen und meinen Unmut schwinden. Wir standen in einem hohen Gewölbe, dessen Kalkfelswände gezackt, zerfressen, ausgehöhlt und mit Tropfsteinbildungen überzogen waren. Fledermäuse flogen auf und schwirrten uns um die Köpfe, riesige Felsblöcke sperrten uns häufig den Weg und mußten umgangen werden, und verschiedentlich bemerkte ich deutliche Reste uralter Feuerstellen, die wohl aus einem längst entschwundenen Zeitalter herrühren mochten. Fast hätte ich über dem Interesse des Forschers an solchen Dingen ganz den Zweck unseres Hierseins vergessen und bückte mich schon hinab, um einen alten Scherben aufzuheben, den ich im Vorbeigehen entdeckt hatte, als wieder dieses ferne Rollen und Schmettern erscholl und wieder der Boden unter unseren Füßen zu zittern schien.
Rolf blieb stehen und drehte sich mir zu. Der Schein seiner Lampe fiel grell auf sein Gesicht, und ich bemerkte einen eigenartig gespannten Ausdruck in seinen kühnen Zügen, wie ich ihn ähnlich nur gesehen hatte, wenn uns eine fast unabwendbare Todesgefahr bedroht hatte. Langsam hob er die Hand mit der Pistole hoch und sagte eindringlich: „Hans, wenn wir weiter vorgehen, kann es leicht sein, daß wir nie wieder herauskommen, denn wenn mich nicht alles täuscht, ist diese Erschütterung soeben ein zweiter Bergrutsch im Innern des Vulkans gewesen. Die Folgen kannst du dir ja selbst ausmalen. Steht dieser Spalt mit dem Trichter in Verbindung, dann können wir leicht durch einen dritten Stoß verschüttet werden, oder, wenn es ganz schlimm kommen und etwa ein Ausbruch dieses alten Vulkans stattfinden sollte, dann könnte es uns passieren, daß wir in die glühende Lava geraten, die natürlich zuerst diesen Spalt füllen würde. Ich glaube, wir machen lieber kehrt, denn der Schwarze wird die Gefahr auch schon gemerkt haben und seinen Schützling in Sicherheit bringen!"
„Rolf, wir wollen lieber annehmen", erklärte ich, „daß Ellen Abednego allein ist und sich nicht retten kann. Also bleibt uns doch nichts anderes übrig, als weiter vorzudringen. Wenn du anderer Meinung bist, dann werde ich es allein tun."
„Aber Hans", lächelte Rolf, „selbstverständlich bin ich immer dabei, wenn es gilt, ein Menschenleben zu retten, das weißt du doch. Nur gerade in diesem Falle müssen wir ungemein vorsichtig sein, denn es wird tatsächlich äußerst gefährlich, sowohl für uns, wie auch für das junge Mädchen - wenn es sich hier befindet, was ja noch immer sehr zweifelhaft ist. Aber", unterbrach er sich plötzlich, „hier, siehst du diese Spur? Es ist der Abdruck eines riesigen, nackten Fußes, der nur von unserem geheimnisvollen Riesen herrühren kann. Vorwärts, Hans, wir müssen weiter!" Er schritt schnell vor, und ich folgte ihm auf dem Fuße. Jetzt war die gewaltige, domartige Höhle zu Ende, und ein enger Spalt, der in den Kalkfelsen eingerissen war, zeigte den weiteren Weg an. Einen Augenblick zögerte Rolf noch, in diese unheimliche Enge einzudringen, dann gab er sich aber einen sichtlichen Ruck und zwängte sich durch den zackigen Spalt hindurch.
Nun sah es allerdings nicht mehr so schön aus. Die Felswände umschlossen den niedrigen Gang beängstigend eng, und die zahlreich herabhängenden Tropfsteingebilde bedrohten mit scharfen Spitzen unsere Köpfe. Jetzt wurde es mir selbst unheimlich, und ich fragte mich im stillen, ob es wirklich möglich sei, daß der schwarze Riese ein blühendes, schönes Mädchen in das Grauen dieses dunklen Berginnern hätte schleppen können.
Schon wollte ich Rolf anrufen, daß ein weiteres Vordringen kaum zweckmäßig sei, als mein Freund plötzlich über einen der zahlreich im Wege liegenden Felsblöcke stolperte, und dabei flog seine Taschenlampe in weitem Bogen gegen die Felswand und zerbarst klirrend. „Das ist ja sehr schön", meinte Rolf grimmig
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