Rolf Torring 019 - Der Feind des Maharadscha
belästigt werden, da ja unser Freund Pongo jetzt am Fenster aufpasst, und so denke ich, daß wir uns ruhig wieder hinlegen können."
„Sie . . . Sie sind sehr kaltblütig", stotterte Tsao nach längerer Pause, „ich glaube nicht, daß ein anderer Mensch an Ihrer Stelle so ruhig wäre."
„Ach, das lernt sich mit der Zeit", lachte Rolf, der mich zur Seite gedrängt hatte und — wie ich jetzt am Klang seiner Stimme merkte, — ebenfalls neben die Tür getreten war, „also, Herr Doktor, Sie gestatten, daß ich die Tür wieder schließe Sie können wirklich überzeugt sein, daß dieser hinterlistige Schütze bei uns kein Glück haben wird!"
Ohne ein Antwort des Chinesen abzuwarten, zog er die Tür zu. Ganz undeutlich hörte ich noch die Stimme Tsaos, der anscheinend einen Gutenachtgruß murmelte, dann flüsterte Rolf mir zu:
„Er scheint mir wirklich nicht ganz sauber zu sein. Wir müssen uns sehr in acht nehmen. Es ist ja eigentlich sehr schade, daß unsere Namen selbst in Indien eine derartige Wirkung haben, wir legen doch wirklich keinen Wert darauf, Verbrecher zu fangen, aber da sieht man wieder einmal das schlechte Gewissen."
„Schade", meinte ich ingrimmig, „hätte ich ihn doch ruhig niedergeschossen, als er so plötzlich vor uns stand. Ich glaube, daß mich kein Gericht verurteilt hätte."
„Das ist richtig", gab Rolf zu, „aber dann hätten wir vielleicht nie erfahren, wo unsere neuen, geheimnisvollen und unbekannten Gegner stecken."
„Damit sagst du ja, daß du Tsao zu ihnen rechnest", rief ich eifrig.
„Leise", warnte Rolf, „wir müssen immer mit Lauschern rechnen. Ich denke aber, daß wir für den Rest der Nacht Ruhe haben werden, wir wollen uns also schlafen legen. Auch Pongo braucht nicht mehr zu wachen, schließlich haben wir ja alle einen so leichten Schlaf, daß wir jedes Geräusch sofort hören."
Da ich wirklich nach dem langen Tagesmarsch sehr ermüdet war, hatte ich gar keine Lust, ihm zu widersprechen, sondern legte mich schnell neben ihn aufs Bett, während Pongo es sich auf dem Sofa bequem macht«.
Die Nacht verlief vollkommen ungestört.
Als wir am nächsten Morgen — völlig zum Weitermarsch gerüstet — die Gaststube betraten, kam uns Doktor Tsao händereibend entgegen.
„Ich würde den Herren doch empfehlen, einen Wagen zu nehmen", rief er, „denn anscheinend haben Sie hier Gegner, die sehr rücksichtslos vorgehen."
Rolf lächelte.
„Lieber Herr Doktor", sagte er ruhig, „das schreckt uns gar nicht, durch solche Sachen lassen wir uns von unserem Plan absolut nicht abbringen, wir wollen nun einmal zu Fuß nach Kaschmir."
„Aber bitte sehr", lächelte der Chinese, „wie Sie wünschen. Es war wirklich nur gut von mir gemeint"
Ziemlich schweigsam nahmen wir ein schnelles Frühstück ein, obwohl sich Tsao, der mit am Tisch Platz genommen hatte, lebhaft bemühte, ein Gespräch in Gang zu bringen. Dann bezahlte Roll die sehr geringe Zeche, und wir traten aus dem verdächtigen Gasthaus in den frischen Morgen hinaus.
Roll schlug sofort ein sehr scharfes Tempo ein, so daß wir bald aus dem Gesichtskreis des Hauses waren. Dann verlangsamte er seinen Schritt, um sich plötzlich am Rand der Straße hinzusetzen.
„So", erklärte er dabei, „jetzt wollen wir eine Weile hier warten; ich denke, daß wir bald ein Auto bekommen werden."
„Ah, also willst du doch fahren?" fragte ich erstaunt.
„Ja, denn unser Gegner wird vielleicht mit Tsao in Verbindung stehen und jetzt schon wissen, daß wir laufen wollen. Da müssen wir ihn überraschen."
Pongo beteiligte sich nicht am Gespräch, sondern spähte aufmerksam rings umher. Dadurch hatten wir die Gewißheit, daß wir auf keinen Fall einem hinterlistigen Anschlag zum Opfer fallen konnten. Es verstrichen vielleicht zwei Stunden, — schon wurde ich ungeduldig —, da ertönte leises Surren, das sich schnell näherte.
Ein wunderbares Automobil, ein Luxuswagen, wie man ihn selten sieht, kam von Kaschmir gefahren. Außer dem eingeborenen Führer saß nur noch ein sehr vornehmer Inder darin.
Ich hätte ja nie diesen Wagen anzuhalten gewagt, aber Ralf sprang sofort auf, schnellte mitten auf die Straße und hob die Hände. Und zu meinem Erstaunen hielt dar Wagen sofort an, der vornehme Inder stieg heraus und fragte höflich, in sehr gutem Englisch:
„Habe ich die Ehre mit Herrn Torring?"
„Jawohl", gab mein Freund zurück, „ich irre mich wohl nicht, wenn ich annehme, daß Fürst Mahab Singh uns den Wagen entgegen
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