Rolf Torring 049 ~ Zum Groß-Nama-Land
Rolf liebenswürdig. „Auch der Verwundete, den ein Löwe so zugerichtet hat, muß schnellstens in ärztliche Behandlung. Hatten Sie mit Ihrem Ritt einen besonderen Zweck, wenn ich fragen darf?"
„Allerdings," sagte Leeds etwas zögernd, „ich mache seit drei Tagen ausgedehnte Streifzüge mit meinen Leuten. Wir sind auf der Suche nach einem Phantom, das in den Köpfen verschiedener Leute spukt."
„Und dieses Phantom soll sich oft in Gestalt eines Löwen zeigen?" fragte Rolf.
„Ah, da haben Sie diese Mär also auch schon gehört?" lachte der Leutnant. „Bisher wurde ja nichts dagegen unternommen, aber jetzt hat sogar ein Geistlicher aus Bethanien dieses Löwengespenst angeblich gesehen, und ich bin kommandiert worden, in der ganzen Gegend umherzureiten."
„Nun, Herr Leutnant, dieses Löwengespenst, wie Sie es nennen, existiert," sagte Rolf ernst. „Dort liegt Herr King aus Bethanien, den ein Löwe des Phantoms so zugerichtet hat, und hier unten im Tal liegen zwei andere Löwen, die das Phantom auf uns gehetzt hat Wir sind aber derartige Kämpfe gewöhnt, sonst wären wir vielleicht auch zerrissen worden."
Das Gesicht des Offiziers war einfach zum malen. Er wurde aber schnell sehr ernst, als ihm Rolf kurz unsere und Kings Erlebnisse erzählte. Dann, als Rolf sagte, daß der geheimnisvolle Verbrecher mit seinem letzten Löwen die Richtung nach Bethanien eingeschlagen hätte, sagte er:
„Herr Torring, dann werde ich mit drei Mann schnellstens hinterher reiten. Fünf Mann genügen ja, um Sie und den Verletzten zu transportieren. Vielleicht gelingt es mir noch, den Unhold zu stellen."
„Aber nehmen Sie sich in acht," warnte Rolf, „mit dem gezähmten Löwen ist nicht zu spaßen. Wir werden noch ungefähr eine halbe Stunde hier bleiben, denn ich möchte den beiden Löwen die Felle abziehen. Erstens als Andenken, dann aber auch, damit King eine weiche Unterlage bekommt."
„Gut, meine Herren," rief der Leutnant, während er schon auf sein Pferd zueilte, „wir werden uns ja sicher in Bethanien treffen, wenn wir nicht unterwegs wieder zusammentreffen sollten."
„Guten Erfolg!" rief Rolf ihm nach, „doch ich warne Sie nochmals, mit diesem Mann und seinem Löwen ist wahrlich nicht zu spaßen."
„Wir werden schon mit ihm fertig werden," lachte Leeds. Dann gab er ein kurzes Kommando und galoppierte mit drei Polizisten davon. Wir stiegen jetzt wieder in die Schlucht hinunter, und mit Hilfe der Polizisten waren die Löwen in kurzer Zeit abgestreift. Die beiden Felle wurden jetzt auf die Tragbahre gelegt, von der wir King solange vorsichtig heruntergehoben hatten. Er wurde, als er wieder bequem lag, festgebunden, damit er durch die unvermeidlichen Erschütterungen durch die beiden Pferde nicht heruntergleiten konnte.
Zwei Polizisten hatten inzwischen zwei lange, armdicke Bäume gefällt, die an die Sättel ihrer hintereinander gestellten Pferde gebunden wurden. Auf diese beiden Stangen wurde nun die Tragbahre gehoben und angebunden.
Auf diese Weise konnten wir den Verletzten ziemlich schnell transportieren, ohne daß er zuviel Stöße erhielt. Wir hüteten uns zu galoppieren, sondern schlugen nur einen leichten Trab ein. Sehr gut war es, daß die Pferde der Polizisten im Schwadronsexerzieren geübt waren und deshalb stets gleichen Schritt hielten. So konnte die Tragbahre nie aus ihrer Lage kommen.
Von Leutnant Leeds und seinen Leuten sahen wir nichts mehr. Offenbar waren sie sehr schnell geritten, hatten sich vielleicht auch weit zerstreut, um auf diese Weise den Unhold mit seinem Löwen am besten zu treffen. Am späten Nachmittag kamen wir in Bethanien an und ritten vor das Haus des Arztes, der sich sofort des verwundeten King annahm. Aus der ganzen Art und Weise, wie er King behandelte, sahen wir, daß der Verletzte sehr beliebt sein mußte.
Die Polizisten brachten uns noch zu einem Gasthof, wo unser Erscheinen natürlich Aufsehen erregte, denn es kam nicht alle Tage vor, daß zwei Europäer und ein riesiger Neger hinter Polizisten auf den Pferden sitzend, in dem kleinen Städtchen auftauchten.
Bethanien ist, wie ich ja bereits erwähnte, eine der ältesten Missionsstationen in Südwest-Afrika, deren doppeltürmige Kirche im Jahre 1859 eingeweiht wurde. Die fünf Quellen, die hier oben auf dem Hochplateau entspringen, geben soviel Wasser, daß sich im Ort ein großer Teich gebildet hat, den Enten und Gänse
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