Rolf Torring 054 ~ Die Indianer Südamerikas
kommen wir durch den Fluß? Wir haben ja nichts hier, um uns ein Floß zu bauen."
Da wurde Pongo wieder der Retter dieser Situation. Er hatte forschend den Hirsch betrachtet, um den das wilde Leben der gefräßigen Pirayas strudelte. Jetzt sagte er ruhig:
»Pongo machen, Massers Pongo Gepäck nehmen."
Er legte den Rucksack ab, ebenso die Pistolen. Nur sein Haimesser behielt er im Gurt. Dann maß er noch einmal kurz die Entfernung zum anderen Ufer und schritt dann ungefähr zwanzig Meter weit in die Pampa zurück.
„Massers auf Indianer aufpassen!" rief er, dann stürmte er in gewaltigen Sätzen auf den Fluß los
Es wäre vergeblich gewesen, wenn wir ihm noch eine Warnung zugerufen hätten. Wollte er etwa die zehn Meter überspringen? Das hätte er trotz seiner Kräfte und der unglaublichen Geschmeidigkeit doch nicht fertig gebracht
Aber unser Pongo wußte stets, was er tat. Dicht neben uns schnellte er vom Ufer ab weit in die Luft. Es war ein Hechtsprung, wie ich ihn in dieser Vollendung noch nie gesehen hatte.
Mindestens sechs Meter flog der riesige Körper unseres treuen Gefährten durch die Luft, um dann ins Wasser hineinzuschießen. Und so genau hatte Pongo den Sprung berechnet, daß er nach kaum zwei Sekunden dicht vor dem anderen Ufer aus dem Wasser herausschoß.
Und so gewaltig war sein Schwung, daß er mit halbem Leib aufs Ufer fiel. Im nächsten Augenblick gab er sich schon einen mächtigen Ruck und stand aufrecht vor den Gebüschen, in denen wir die Indianer vermuteten.
2. Kapitel.
Ein tollkühner Befreiungsversuch.
Trotz der Schnelligkeit, mit der Pongo durch das Wasser geschossen war, hatte er doch einige Bisse der furchtbaren Pirayas davongetragen, seine Unterarme, die das aufgekrempelte Hemd freiließ, waren blutbedeckt.
Aber solche Verletzungen bedeuteten für Pongo nichts, er wußte, daß hinter den Büschen vielleicht ein gefährlicherer Tod lauerte, und ehe ich mich von meiner Bewunderung über seine kühne Tat erholen konnte, war er schon im nächsten Busch verschwunden.
Gespannt starrten wir hinüber. Jetzt mußte es sich entscheiden, ob die Indianer noch dort lauerten, obwohl sie wußten, daß uns ein Passieren des Flußes unmöglich war, hatten sie gewiß eine Wache zurückgelassen.
Und wirklich hörten wir bald darauf einen kurzen Schrei, dann trat Pongo aus dem Gebüsch hervor.
„Alles gut sein, Massers," rief er vergnügt. »Indianer fort. Wache betäubt, Pongo jetzt Baum fällen, daß Massers herüberkommen."
Mit seinem Haimesser konnte er natürlich nicht einen so starken Baum fällen, der beim Niederstürzen den Fluß völlig überbrückt hätte. Aber Pongo wußte sich zu helfen. In rasender Eile schlug er armstarke, wohl sechs Meter lange Schößlinge ab, die er mit starken Lianen zusammenband.
Er baute so ein Floß, das eine Person gut tragen konnte. Eine lange, starke Liane knüpfte er an das eine Ende des Floßes, schob das schwere Holzgestell dann mit seinen enormen Kräften ins Wasser und stieß es mit gewaltigem Ruck zu uns herüber:
Rolf kniete am Ufer nieder und hielt das eine Ende des Floßes auf, dann kroch er vorsichtig auf das schmale Fahrzeug und setzte sich in die Mitte.
„Hans, du mußt noch warten," sagte er, Pongo muß das Floß noch einmal hinüberstoßen."
Der getreue Riese zog bereits an der starken Liane das Floß vorsichtig zu sich hinüber. Mir war gar nicht wohl zumute, denn wie leicht konnte das schmale Gerüst umkippen, und dann war Rolf einem gräßlichen Tod überliefert.
Es war schrecklich anzusehen, wie er mühsam das Gleichgewicht hielt, während Pongo Hand um Hand das Floß hinüberzog. Endlich war das andere Ufer erreicht, und Rolf kroch vorsichtig an Land.
„Hans, du mußt dich sehr vorsehen," rief er besorgt, „setze dich breitbeinig hin und halte gut Balance."
Pongo stieß das Floß wieder herüber. Ich fing es auf und kroch auf das schwankende Gestell, das sich durch mein Gewicht tief ins Wasser drückte. Als ich mich in die Mitte hingesetzt hatte, fing Pongo an, langsam das unbeholfene Fahrzeug hinüberzuziehen.
Ich mußte mir alle Mühe geben, um durch Beugen des Oberkörpers und verschiedentliches Heben der Arme das Gleichgewicht zu halten. Und als ich dabei einen Blick ins Wasser neben mir warf, fuhr ich erschrocken zusammen, denn da drängten sich dicht neben dem
Weitere Kostenlose Bücher