Rolf Torring 054 ~ Die Indianer Südamerikas
am Stamm so fest, daß er sich nicht rühren konnte.
„So," meinte Rolf befriedigt, als Pongo sein Werk vollendet hatte, „jetzt können wir ja in aller Ruhe und Sicherheit den Befreiungsversuch unternehmen. Kommt, wir wollen vorschleichen und die Lage untersuchen."
Pongo glitt als erster auf den Pfad; in gebückter Stellung, sein Messer wurfbereit, schlich er vor uns her,— jede Sekunde bereit, sich auf einen plötzlich auftauchenden Feind zu stürzen.
Kein Wächter oder zufällig Umhertreibender durfte ja einen Laut ausstoßen und damit unsere Anwesenheit verraten.
Als er sich der Stelle näherte, an der er Tari zurückgerissen hatte, wurden seine Bewegungen noch vorsichtiger, schließlich ließ er sich sogar auf Knie und Hände hinunter und kroch so vorwärts.
Dann hielt er inne und blickte mit behutsam vorgestrecktem Kopf nach rechts. Dort zweigte also der Pfad ab, der auf das Dorf der Indianer zuführte.
Einige Minuten verharrte Pongo in seiner unbeweglichen Stellung, dann kroch er ein kurzes Stück zurück, preßte sich dicht auf die linke Seite des Pfades und forderte durch eine Handbewegung den ihm folgenden Rolf auf, vorzukriechen.
Auch Rolf blickte unter äußerster Vorsicht um die gefährliche Ecke. Nach einigen Minuten kroch er zurück und machte mir den Weg frei. Als ich an die fragliche Stelle kam, sah ich, daß von dem Pfad, auf dem wir uns befanden, ein ziemlich breiter Weg auf eine große Lichtung führte, auf der ziemlich viele Holzhütten standen.
Ein lebhaftes Treiben herrschte in dem Dorf, offenbar war ein ganz besonderes Ereignis eingetreten, das die Gemüter der Bewohner so aufgeregt hatte. Ich dachte sofort an den Gefangenen, den die Indianer gemacht hatten. Wollten sie ihn etwa töten? Vielleicht irgendeiner dunklen Gottheit opfern? Hatten sie vielleicht noch die alte Sitte ihrer nordamerikanischen Verwandten, Gefangene unter Qualen zu töten?
Vergebens blickte ich mich nach dem Europäer um, dann machte ich aber, als ich mich noch etwas weiter vorschob, die Beobachtung, daß eine große Hütte, in der Nähe des einzigen Baumes, der sich noch auf der Lichtung erhob, von vier Indianern bewacht wurde.
Die vier Männer hatten ihre Bogen schußbereit in der Hand und blickten ständig auf die Hütte. Hier mußte also der Gefangene stecken, und er sollte auf keinen Fall mehr einen Fluchtversuch machen können, deshalb die starke, aufmerksame Bewachung.
Das war für uns natürlich ein schwerer Schlag. Wie sollten wir jetzt in das aufgeregte Dorf eindringen und den so scharf Bewachten befreien können? Auch die nahende Dunkelheit konnte uns nicht viel nützen, denn ich sah, daß in der Nähe dieser Hütte große Haufen trockener Zweige zusammengetragen wurden.
Es sollte also für genügend Beleuchtung gesorgt werden, — daß unter solchen Umständen eine Befreiung natürlich sehr schwer war, wurde mir sofort klar.
Ein sehr großer, älterer Indianer trat jetzt in meinen Gesichtskreis. Er hatte ein stolzes, finsteres Gesicht, und ich sah, daß die vier Wächter eine respektvolle Haltung annahmen. Das mußte der Häuptling sein, und als ich das dachte, fiel mir auch eine große Ähnlichkeit zwischen ihm und unserem Gefangenen auf.
Er sagte einige Worte zu den Wächtern, die darauf lebhaft nickten, jedenfalls hatte er ihnen verschärfte Aufmerksamkeit befohlen. Er wandte sich jetzt ab und blickte den Weg entlang, in den ich hineinblickte. Seine Haltung zeigte dabei eine gewisse Ungeduld.
Sofort zog ich meinen Kopf zurück, denn dem forschenden Auge des Häuptlings würde wohl auf diese Entfernung kaum etwas entgehen.
„Was hast du?" flüsterte Rolf hinter mir, der meine schnelle Bewegung gesehen hatte.
„Der Häuptling ist erschienen," berichtete ich, „an der Ähnlichkeit mit Tari habe ich ihn sofort erkannt. Er blickte soeben den Weg hier entlang, deshalb zog ich meinen Kopf sofort zurück. Anscheinend ist er ungeduldig. Ich fürchte, daß er seinen Sohn zurückerwartet."
„Ja, das ist leicht möglich," gab Rolf zu, „da müssen wir uns jetzt sehr vorsehen, denn er schickt vielleicht Leute aus, die ihn suchen sollen. Hoffentlich hat er dich nicht entdeckt?"
„Das glaube ich nicht, dann hätte ich bestimmt eine Veränderung seines Gesichtes bemerkt. Auch zog ich meinen Kopf sofort zurück, als er zu mir herblickte."
„Na, diese Wilden können ihre Mienen
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