Rolf Torring 062 - Der Perlentaucher
„Godfrey muß uns schon nachher frei lassen," meinte Fox flüsternd, „sonst können wir mit weiteren Attentaten rechnen. Wären wir bei dem Brand umgekommen, hätte niemand behaupten können, daß wir ermordet worden seien, und dann würde auf uns der Verdacht ruhen bleiben, daß wir den Inder am Strand ermordet haben. Ich bin sogar sicher, daß wir auch jetzt ein weiteres Attentat, am ehesten wohl einen neuen Brand, erwarten können, denn wir sind vom Strand aus natürlich gesehen worden, als wir hier eingesperrt wurden. Ein neuer Brand wäre gar nicht einmal so verdächtig, es würde dann heißen, daß der Brand unbemerkt weitergeschwelt hätte."
„Sie haben recht, Herr Fox," gab Rolf zu, „fort müssen wir auf jeden Fall. Doch wo wollen wir in der Nacht hin?"
„Ich muß Godfrey fragen, wo der Perlenfischer Wansa ankert. Auf seinem Boot sind wir sicher, denn er steht so halb in unserem Sold. Sie können sich ja denken, daß wir ein groß angelegtes Spionagenetz über ganz Ceylon gebreitet haben. So wissen wir zum Beispiel genau über Sena und seinen Nachbarn Dutha Bescheid, über die Sie, meine Herren, anstandshalber geschwiegen haben. (Siehe Band 61.) Die hochfliegenden Pläne der beiden werden wohl kaum in Erfüllung gehen. Wie gesagt, dieser Wansa ist auf unserer Seite. Unsere Gegner werden uns wohl kaum inmitten der Perlenboot-Flottille, die hier vor Anker liegt, vermuten."
„Allerdings, wenn Sie für diesen Wansa garantieren können, sind wir bei ihm am sichersten," meinte Rolf. „Sie müssen ihn ja genau kennen. Nach dem, was wir bis jetzt erlebt haben, wissen wir, daß unsere Gegner wirklich über eine Rücksichtslosigkeit und Hinterlist verfügen, die ihresgleichen sucht. Also muß dieser Wansa unbedingt völlig zuverlässig sein, sonst sind wir auf seinem kleinen, offenen Boot verloren."
„Er hat uns bisher sehr gute Dienste geleistet," sagte Fox, „auch hat er uns die wichtigsten Fingerzeige hinsichtlich der Bande gegeben. Gewiß, ich hatte durch andere Spionagemeldungen auch schon die Fährte dieser Bande, die hierher weist, gefunden. Hauptsächlich hat mich ein Perlentaucher Smarda informiert, der auf Wansas Boot arbeitet. Also scheint der Bootshalter wirklich ehrlich zu sein. Ihm sind auch schon wertvolle Perlen, die er nach Colombo geschickt hat, geraubt worden."
»Und der Bote ist wieder durch einen Tiger zerrissen worden?" fragte Rolf. »War es wieder dieser geheimnisvolle, grüne Tiger, an dessen Existenz ich ja entschieden zweifeln würde, wenn ich ihn nicht schon zweimal persönlich gesehen hätte?" (Siehe Band 61.)
»Ja, es war wieder der grüne Tiger, der zwei Boten Wansas zerrissen hat. Die Begleiter der Boten, die zum Schutz stets mitgehen, haben schnell die Flucht ergriffen, als sie das Untier, das dazu noch unverwundbar sein soll, sahen."
»Verzeihung," meinte Rolf in etwas zweifelndem Ton, »Sie erwähnten wieder die Unverwundbarkeit des Tigers. Sind Sie wirklich überzeugt, daß Sie ihn auch getroffen haben?"
»Herr Torring, ich achte Ihre Zweifel," sagte Fox ernst, „denn ich habe es zuerst auch nicht geglaubt. Ich will mich nicht rühmen, aber ich bin wirklich der beste Schütze unseres Korps in Colombo. Ich habe zwei Schüsse auf den grünen Tiger abgegeben, einen aufs Blatt, den zweiten Schuß auf die Schläfe. Und ich habe getroffen, denn nach dem zweiten Schuß taumelte die Bestie, und trotzdem sprang sie mit gewaltigem Satz ins Dickicht. Trotz schärfster Nachsuche konnte ich keinen Blutstropfen entdecken."
„Merkwürdig", meinte Rolf versonnen. »Ich möchte beinahe glauben . . ., doch nein, das wäre zu phantastisch, — aber vielleicht kann es doch sein. Na, das werden wir ja sehen, wenn wir das dritte Mal mit dem grünen Tiger zusammentreffen."
„Das kann schon passieren," sagte Fox ernst, „denn ich bin überzeugt, daß die Raubbande diesen Tiger benutzt, um ihre Taten in ein geheimnisvolles Dunkel zu hüllen. Haben Sie nicht auch bei Ihrem Zusammentreffen mit dieser Bestie einen Pfiff irgendwo im Dickicht vernommen?"
„Ja," gab Rolf zu, „wir hielten es für einen Vogelruf, aber jetzt glaube ich auch, daß es ein Mensch war, dem die Bestie gehorcht Ah, da scheint der Kommandant zu kommen."
Es war wirklich Godfrey, der die Tür aufschloß und eintrat.
„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, meine Herren," sagte er leise. „Fox, mein alter Bekannter, hat mich bereits
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