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Rolf Torring 064 - Der Mörder von Madras

Rolf Torring 064 - Der Mörder von Madras

Titel: Rolf Torring 064 - Der Mörder von Madras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Warren
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nach links, bis ich Ihnen sage, daß wir schneller gehen wollen."  
      Wir drängten uns durch den mächtigen Busch, fast neben uns zwängten sich auch die Tiger, oft mit den Köpfen an unsere Füße stoßend, durch die Zweige. Es war wirklich eine mehr als unangenehme Nachbarschaft.  
      Langsam gingen wir, als wir auf einen schmalen Pfad stießen, der benutzt zu werden schien, nach links. Endlich ertönte hinter uns wieder die Stimme des Inders:  
      „Gehen Sie jetzt schneller! In einer Stunde sind wir an Ort und Stelle."  
      Ich konnte nur verwundert den Kopf schütteln, denn so nahe an Madras sollte sich ein Ort befinden, an dem die Gefangenen nicht gefunden werden sollten? Das schien mir nicht gut möglich zu sein. Der Inder hatte meine Kopfbewegung gesehen und rief spöttisch:  
      „Sie werden selbst einsehen, daß Sie dort nicht gefunden werden, wenn der Ort auch nahe an Madras liegt. Sie vergessen, daß meine Landsleute sehr abergläubisch sind und daß auch die Engländer aus Klugheit nicht wagen, einige unserer Gebräuche zu stören oder gar unsere Heiligtümer zu betreten."  
      Daran hatte ich allerdings im Augenblick nicht gedacht. Wenn uns dieser Fanatiker an einen Ort brachte, der als heilig galt, dann würde es kaum ein englischer Polizist wagen, ihn zu betreten. Und die anderen Gläubigen würden unsere Anwesenheit entweder nicht ahnen oder nicht verraten.  
      Jetzt betrachtete ich unsere Lage allerdings als ziemlich hoffnungslos. Vielleicht sahen wir einmal nach Jahren, wenn der vergebliche Aufstand der Inder gegen die Engländer in sich zusammengebrochen war, die Freiheit wieder — oder wir waren eben in dem geheimnisvollen Wunderland verschwunden.  
      Vergeblich zermarterte ich meinen Kopf nach einem Fluchtweg. Es war aber völlig ausgeschlossen, daß wir waffenlos, wie wir waren, den Tigern entgehen konnten, selbst wenn es uns gelang, uns plötzlich ins Dickicht zu werfen. Die Bestien würden unerbittlich auf unserer Spur bleiben und uns in wenigen Augenblicken eingeholt haben.  
      So mochte ich in trüben Gedanken ungefähr eine halbe Stunde den schmalen, gewundenen Pfad entlanggeschritten sein, als wir auf eine kleine Lichtung kamen. In ihrer Mitte erhob sich ein kleines, bizarres Gebäude, und der Inder hinter uns sagte leise:  
      „Das ist das Grabmal eines Heiligen, kein Europäer darf diese Lichtung betreten. Nur meine Gegenwart schützt Sie, sonst wären jetzt schon die Priester, die dort ständig wachen, über Ihnen. Gehen Sie jetzt scharf rechts am Rande der Lichtung entlang. An dem großen Baum dort steht ein Busch, der gelbe Blüten trägt, durch diesen Busch müssen Sie sich wieder hindurchzwängen, dann sind wir bald angelangt."  
      Während wir am Rand des Dickichts entlanggingen, blickte ich immer verstohlen nach dem eigenartigen Grabdenkmal hinüber. Der Hinweis auf die versteckten Priester hatte mich etwas mißtrauisch gemacht. Sollte die Macht unseres Überwältigers auch wirklich ausreichen, solche Fanatiker in Bann zu halten?  
      Doch dann dachte ich an die Tiger, die neben und hinter uns schritten. Und war mir vorher ihre Nähe sehr unsympathisch gewesen, so war sie mir jetzt um so angenehmer. Diese vier Bestien würden uns schon gegen den Ansturm einer ganzen Priesterschar schützen.  
      Bald hatten wir den bezeichneten Baum erreicht und zwängten uns durch den Busch mit den gelben, starkduftenden Blüten. Dann gelangten wir wieder auf einen Pfad, der oben mit Zweigen und Lianen übersponnen war, so daß nur durch wenige Lücken das Mondlicht fallen konnte, aber weit vor uns glänzte ein heller Lichtschein.  
      Der Inder hinter uns sagte:  
      „Der Pfad ist sumpfig, aber ganz eben, meine Herren, gehen Sie also ohne Scheu geradeaus auf den hellen Punkt dort vorn zu. Das ist unser Ziel."  
      Wir bückten uns etwas, um nicht etwa mit Dornenranken in unliebsame Berührung zu kommen, und schritten auf den hellen Punkt zu. Bald erkannten wir, daß es die mondbeschienene Fläche eines Weihers sein mußte, und als wir am Ende des Pfades standen, befanden wir uns am Ufer eines sehr großen Sees, in dessen Mitte sich eine große, bewachsene Insel befand.  
      „Treten Sie nach links," sagte der Inder, „drehen Sie sich aber nicht um."  
      Offenbar wollte er es ängstlich vermeiden, sein Gesicht zu zeigen. Wir hörten, daß er irgendeinen schweren Gegenstand aus dem Dickicht zerrte, dann plätscherte und gurgelte das Wasser, und

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