Rolf Torring 069 - Opium
Rolf schwieg einige Sekunden nachdenklich, dann straffte sich sein Körper plötzlich. Er drehte sich langsam ringsum, wobei er immer den Schein seiner Lampe auf die Kante zwischen Boden und Wand des Raumes hielt. Zu meiner Verblüffung zeigten sich noch sieben weitere gleiche Löcher, die — ungefähr einen Meter hoch — halbrund in der Mauer zwischen den Mumien gähnten.
„Aha," sagte Rolf, „das habe ich vermutet. Es handelt sich also um ein regelrechtes Labyrinth, und zwar um eine Form, die nur einen Ausweg hat. Wir haben neun halbrunde Löcher in der Mauer, aber nur eins führt in den Gang, der uns eventuell nach oben bringt. Ich sah einmal eine Zeichnung eines solchen Labyrinths, daher weiß ich es."
„Weshalb führt nur eins der Löcher in die Freiheit?" fragte ich erstaunt. „Was haben die anderen für einen Zweck?"
„Das ist das Raffinierte an dieser Bauart," sagte Rolf ernst. „Deshalb konnten sich die armen Menschen hier nicht herausfinden. Wenn man nicht durch Zufall auf den richtigen Gang stößt, findet man ihn nie. Hier sind vier Gänge im Halbkreis gegraben. Kriechst du zum Beispiel in der Dunkelheit in das erste Loch, dann führt der Gang in einem Halbkreis wieder zurück, und du kommst aus dem zweiten Loch heraus. Tastest du dich dann an der Wand entlang und stößt auf das dritte Loch, kriechst hinein und hoffst jetzt hinauszukommen, kommst du im Halbkreis wieder zurück und verläßt den Gang durch das vierte Loch. So geht es fort bei allen acht Löchern. Du kannst nach rechts oder nach links kriechen, stets kommst du in die Halbkreisgänge und findest dich zu deinem Entsetzen wieder in der Grotte mit den Mumien."
„Pfui Teufel," bestätigte ich, „das ist mehr als hinterlistig. Doch wo ist der Ausgang?"
„Der führt unter einem der Kreisgänge hinweg. Die Öffnung liegt also zwischen Ein- und Ausgang des Halbkreisganges. Man würde nur auf sie stoßen, wenn man gerade diesen Gang passiert hat und sich zufällig rückwärts wendet. Die meisten Menschen verlieren in solchen Situationen die Nerven und laufen stets nach einer Richtung vor. Dann finden sie nur die Halbkreisgänge und durchlaufen sie solange, bis sie zusammenbrechen. Siehst du, hier links muß der richtige Ausweg sein. Dort liegen drei Öffnungen sehr eng zusammen. Die mittelste wird ins Freie führen, wenn die Leute hier den Gang nicht verschüttet haben."
„Ich bin dem Geschick dankbar, daß du bei mir bist," sagte ich. „Mir wäre es ohne Licht vielleicht auch so ergangen wie den armen Menschen hier, die elend umgekommen sind."
„Ich habe zufällig einmal über den Bau von Labyrinthen gelesen," wehrte Rolf ab, „sonst hätte ich auch vor einer schwierigen Aufgabe gestanden. Unser Glück ist es, daß wir unsere Taschenlampen haben. Sonst wäre das Suchen des richtigen Ganges sehr schwierig. Laß uns sehen, ob wir noch mehr Glück haben, ob der Gang passierbar ist!"
„Rolf, ich möchte erst einmal einen solchen Halbkreisgang entlang kriechen," sagte ich. „Mich interessiert es. Ich werde den nehmen, unter dem deiner Meinung nach der Ausgang hinwegführt. Dann müßte ich aus dem zweiten Loch rechts wieder herauskommen, da das mittelste Loch der Ausgang sein soll, der ins Freie führt."
„Ganz recht," erwiderte Rolf, „du kriechst über den richtigen Gang hinweg. Aber beeile dich, ich habe Sorge um Pongo und Maha. Jetzt wissen die Leute, die sich hier die Raffinessen dieses Hauses zunutze machen, daß wieder Neugierige gekommen sind, sie werden auch ahnen, daß wir es sind."
„Dann schwebt Pongo in Gefahr," sagte ich betroffen. „Unter diesen Umständen will ich lieber nicht in den Gang kriechen. Vielleicht kehren wir noch einmal zurück. Dann habe ich immer noch Gelegenheit, es zu probieren."
„Besser ist es schon," sagte Rolf zustimmend. „Ich werde voraus kriechen. Bleib du etwas zurück, um mir eventuell zu helfen, falls mir etwas zustoßen sollte."
Langsam verschwand Rolf in der engen Öffnung. Ich wartete einige Augenblicke, dann folgte ich ihm.
Der enge Gang führte tatsächlich steil hinab, wie Rolf gesagt hatte. Er ging also unter dem Halbkreisgang, der zur Irreführung diente, hinweg.
Zwanzig Meter legten wir zurück. Da stieß ich gegen Rolf, der nicht weiterkroch. Er flüsterte mir zu:
„Hans, der Gang ist eingestürzt. Ich probiere gerade, ob ich die Trümmer beseitigen kann."
An
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