Rolf Torring 086 - Pongos schwerster Kampf
Gefühl, daß uns jemand folgte; deshalb drehte ich mich oft um, konnte aber niemand entdecken.
Nach unserer Gewohnheit machte ich den Schluß des kleinen Zuges. Mir war — offengestanden — gar nicht recht wohl dabei. Am hellen Nachmittag des vergangenen Tages hatten wir auf dem Wege nach Ahmadabad genügend Abenteuer erlebt. Wie würde es jetzt bei Nacht werden?
Bald gelangten wir in die Plantage, die vor dem Dschungelfleck mit dem kleinen See lag. Hier hieß es besonders vorsichtig sein, denn wir mußten jeden Augenblick mit dem Auftauchen des Tigers rechnen.
Wir verringerten deshalb den Abstand von Mann zu Mann, gingen sehr langsam und lauschten aufmerksam in die Dunkelheit hinein.
Hätten wir Maha nicht bei uns gehabt, wäre es noch gefährlicher gewesen. So konnten wir uns darauf verlassen, daß der getreue Gepard ein Nahen des Tigers sofort bemerken würde.
Plötzlich verhielt Pongo den Schritt, so daß wir fast aufeinanderprallten. Wir brauchten ihn nicht nach dem Grunde zu fragen, denn wir hörten selbst, daß der Tiger in der Nähe war. Maha stieß ein wütendes Fauchen aus.
Wir ließen die Sicherungen der Pistolen, die wir schußbereit in den Händen trugen, zurück schnellen. Da nicht der leiseste Luftzug herrschte, Konnten wir weder hören noch spüren, von welcher Seite die Raubkatze kommen würde
Da flüsterte Pongo:
„Massers, Tiger kommen von rechts."
Er mußte aus Mahas Benehmen erkannt haben, auf welcher Seite der Tiger stand. Sofort wandten wir uns der bezeichneten Seite zu. Wenn es unter den hohen Palmen nur nicht so finster gewesen wäre. Wir konnten keinen Schritt weit sehen.
Maha fauchte wieder, diesmal stärker. Der Tiger mußte also ganz nahe sein. Und da — erklang schon seine Antwort, ein wütendes Schnarren.
Der Ton wirkte schreckerregend selbst wenn man ihn in der Sicherheit eines Hochsitzes, einer »Madjan", hört. Wir aber befanden uns zu ebener Erde dem König der Dschungel auf wenige Schritte bei völliger Dunkelheit gegenüber.
Noch einmal fauchte Maha. Das grollende Schnarren des Tigers als Antwort folgte fast ohne Pause. Die Raubkatze konnte höchstens zehn Meter von uns entfernt sein, aber wir sahen sie nicht.
Da zuckte ein greller Schein durch die Dunkelheit Rolf hatte die Taschenlampe eingeschaltet und ließ den Lichtkegel hin- und herwandern.
Da stand er, ein großes, stolzes Exemplar eines Königstigers, und zeigte mit wütendem Fauchen sein Gebiß. Dann glitt er rasch hinter die nächste Palme. Aber schon krachten unsere Pistolen. Auf die kurze Entfernung mußten die schweren Geschosse ihre Wirkung tun. Selbst wenn uns das Tier jetzt annahm, hatten wir Aussicht, den Kampf durch ein Paar weitere wohl gezielte Schusse zu beenden, ehe das Tier uns im Sprung erreichen konnte.
Mit einem wütenden Aufheulen quittierte die Raubkatze unsere Kugeln, aber der erwartete Angriff blieb aus. Die Dunkelheit hatte den Tiger verschluckt. Ratlos standen wir da.
„Ein merkwürdiges Tier," rief der Colonel, fast ärgerlich. „Ein ,normaler' Tiger hätte uns doch jetzt angenommen ! Er kneift !"
„Eine Kugel hat er bestimmt erhalten. Sie haben recht," gab Rolf zu. „Ein solcher Tiger ist mir noch nicht vorgekommen. Dabei halte ich ihn nicht für feige. Es widerstrebt mir, einem so schönen, wenn auch grausamen Tier diese abfällige Eigenschaft anzuhängen."
„Feige? Nein, klug ist die Katze!" ereiferte sich der Colonel fast. "Er weiß ganz genau, daß er gegen unsere Schußwaffen machtlos ist. Glauben Sie mir, er weiß es ganz genau: mir fällt ein, daß sein Bruder, auch ein mächtiger Bursche, mit dem er stets spielte, den Fürsten einmal unversehens angriff. Ahuri war ein ausgezeichneter Schütze. Er tötete den Angreifer durch zwei Pistolenschüsse in die Augen. Ahuri erzählte mir später, daß unser Tiger erschrocken zurückgewichen sei, als sein Bruder und Spielgefährte zusammenbrach. Seit der Zeit wird er wissen, wie gefährlich Schußwaffen sind. Deshalb hat er uns nicht angegriffen. Ich bin jedoch überzeugt, daß er versuchen wird, uns aus einem Hinterhalt zu überraschen. Ich habe früher nie so recht daran geglaubt, wenn mir der Fürst erzählte, wie klug der Tiger Rojah sei. Jetzt bin ich überzeugt, daß mir Ahuri die Intelligenz des Tieres noch zu gering geschildert hat."
„Wenn das so ist, treffen wir mit Rojah bestimmt noch zusammen,"
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