Rolf Torring 087 - Der Krokodil-Gott
ernsthaft, daß wir bei Nacht den Tempel finden?'
„Ich glaube nicht, Hans, daß er weit von hier entfernt ist. Kommt. Vielleicht sind wir bald da."
Wir gingen dicht am Rande des schmalen Kanals entlang. Ich wunderte mich, daß der Pfad nicht stärker überwuchert war. Dann entdeckte ich plötzlich an einer Stelle, auf die der fahle Mondschein fiel, frische Spuren, Eindrücke von Tierfüßen mit starken Krallen.
Nicht weit von der Stelle entfernt schien der schmale Kanal zu enden. Verwundert fragte ich Rolf:
„Sieht das nicht aus, als wären hier viele Krokodile gelaufen? Und hier! Auch Spuren menschlicher Füße! Schau mal, die merkwürdige Furche im Sand! Wollen wir ihr folgen? Sie zieht sich nach links ins Dickicht hinein."
„Weißt du, was die Furche bedeutet, Hans? Hier ist übrigens eine zweite, hier eine dritte Furche! Das hatte ich erwartet. Hier haben Tom und seine Leute ihre Boote an Land gezogen. Vorwärts! Wir müssen uns beeilen! Vielleicht können wir die Unglücklichen noch retten."
Gowidas Worte fielen mir ein. Wir sollten ihn laut dreimal rufen, wenn wir seinen kleinen Tempel entdeckt hätten. Jedem anderen drohe sonst Gefahr.
Rolf hatte das Tempo beschleunigt. Unwillkürlich tat ich dasselbe. Ich hatte jetzt auch das deutliche Gefühl, daß Menschenleben in Gefahr seien.
Wir waren noch keine fünf Minuten weitergegangen, als vor uns lautes Geschrei ertönte. Menschen mußten sich ganz in der Nähe in einer schlimmen Lage befinden, aus der sie keinen Ausweg wußten.
„Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig!" stieß Rolf hervor und beschleunigte das Tempo noch mehr. Er machte so gewaltige Sätze, daß Pongo und ich ihm kaum folgen konnten.
Nach einer kurzen Strecke Weges stand Rolf mit einem Ruck still. Ich hätte auch ohne Rolfs plötzliches Anhalten gestoppt, denn vor mir sah ich eine Wasserfläche blinken, durch die ein etwa zwei Meter breiter Damm führte. Vor uns, vielleicht sechzig Meter entfernt — aber die Entfernung ließ sich im ungewissen Licht des Mondes schwer schätzen —, erhob sich ein kleines Bauwerk, ein Tempel aus weißem Marmor, der im Schatten einiger Bäume lag.
Auf dem Damm, ungefähr in der Mitte, standen Menschen. Tom und seine Kameraden waren es. Sie stießen die Schreie aus. Die Ursache ihrer Schreckenschreie erkannte ich auch.
Vor und hinter ihnen waren große Krokodile auf den Damm gekrochen, die sich mit aufgesperrtem Rachen den Eingeschlossenen näherten.
Die Männer, deren Bekanntschaft wir auf der Insel gemacht hatten, waren von allen Seiten eingeschlossen, denn auch rechts und links von ihnen streckten sich die Köpfe anderer Alligatoren aus dem Wasser.
Rolf rief laut und durchdringend:
„Gowida — Gowida — Gowida!"
Da geschah etwas Merkwürdiges: Die Krokodile erhoben ruckartig ihre Köpfe. Zwei, die gerade nach dem am weitesten hinten Stehenden hatten schnappen wollen, wichen scheu zurück.
Auf der kleinen Treppe des Marmortempels erschien die Gestalt des alten Brahmanen. Eine Weile blieb alles still, dann erklang Gowidas Stimme:
„Sagen Sie den Leuten, Herr Torring, daß sie ihre Waffen ins Wasser werfen sollen. Dann werden die Krokodile von ihnen ablassen. Sie können an Ihnen vorbei zurück zu ihren Booten gehen. Sonst werden meine Tiere sie zerreißen."
Gowida hatte Deutsch gesprochen. Rolf übersetzte die Worte, indem er sich an Tom wandte.
Der Anführer war vernünftig. Sofort riß er seine Pistolen aus dem Gürtel und warf sie ins Wasser. Seinem Beispiele folgten wortlos seine Kollegen.
Sie kamen auf uns zu. Wir zogen die Pistolen. Aber die Leute dachten nicht daran, uns anzugreifen. Sie waren heilfroh aus dem Bereich der Krokodile zu entkommen. Mit gesenkten Köpfen schritten sie an uns vorbei.
Tom sagte leise:
„Ich danke Ihnen, Herr Torring! Ihnen haben wir unser Leben zu danken. Wir werden das Land sofort verlassen."
„Tun Sie es!" sagte Rolf sehr ernst. „Ich wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. Nehmen Sie sich auf dem Golf vor Sergeant Hollay in acht. Er macht mit einer Anzahl Polizisten Jagd auf Sie und Ihre Leute."
Tom wußte, weshalb. Er bedankte sich nochmals und schritt mit seinen Leuten an uns vorbei. Auch Jack war dabei. Er war also noch nicht auf Geschäftstour geschickt worden. Er machte zwar ein recht grimmiges Gesicht, als er an Pongo vorbeiging
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