Rolf Torring 097 - Gefährliche Feinde
unbekannten Gottheit. Wir sollten uns vorbereiten, die Strafe für die begangene Freveltat zu erleiden.
Ich mußte an den „Dharma Radscha" denken, den „Gesetzeskönig", der zugleich, alten Behauptungen nach, das geistliche Oberhaupt war, denn ein Gott hat, nach der Anschauung des „Bhutanvolkes", zur Bekehrung in ihm Wohnung genommen.
Sollte der Inder ein Dharma Radscha sein?
Gleichzeitig mußte ich an die bildhübsche junge Inderin denken, die wir in der Felsenhöhle schlafend getroffen hatten. Sollte sie die lebendige Gottheit sein? Oder war sie eine Tempeltänzerin?
Feierliche Stille war nach den Worten des Alten eingetreten. Er hatte sich erhoben und war neben den Sessel getreten. Und da — ich traute meinen Augen nicht — saß plötzlich die junge Inderin, an die ich gedacht hatte, auf dem Thronsessel und schaute auf uns herab.
Hinter uns begann ein monotoner Gesang, der nur gelegentlich dumpf anschwoll. Während die schleppende Melodie erklang, sah ich mich scheu nach den Männern um, die das Gesicht zur Erde geneigt hatten und nicht wagten, das schöne Mädchen anzusehen.
Die junge Inderin winkte dem Alten, der — sich tief verneigend — vor den Sessel trat.
Ob die Inderin ihm etwas zuflüsterte oder nicht, konnte ich nicht feststellen. Als der alte Inder sich aufrichtete und zu uns wandte, war der Sessel — leer. Der Alte nahm selbst wieder auf dem Sessel Platz, breitete die Arme aus und sagte:
„Dschira hat befohlen, daß die Fremden in drei Tagen sterben."
Langsam ließ er die Arme sinken und gab einigen Männern hinter uns einen Wink.
Wir wurden nach oben in den Raum getragen, in dem wir den toten Tiger gefunden hatten. Der Tiger war verschwunden, die Luft war klar und gut.
Bevor die Inder sich entfernten, wurden uns die Hände losgebunden. Uns nun auch von den Fußfesseln zu befreien, war für uns eine Kleinigkeit. Wir taten es sofort. In einer Ecke fanden wir reichlich Essen und einen Krug frischen Wassers.
„Das sieht gar nicht so hoffnungslos aus," meinte Balling mit seinem verlegenen Lächeln. „Schade, daß sie uns die Waffen abgenommen haben, sonst würden wir bald wieder frei sein."
Rolf sagte gar nichts. Er blickte vor sich hin und schien angestrengt zu überlegen. Als er endlich den Kopf hob, fragte ich ihn, ob er keinen Ausweg aus der Höhle wüßte, ich sei nicht gewillt, mich für eine fremde Gottheit töten zu lassen.
„Ich bin von der Überlegung ausgegangen, Hans, daß die Luft hier einigermaßen gut ist. Also muß irgendwo eine Entlüftungsanlage sein, durch die auch Frischluft zugeführt wird."
„Sie ist hier, meine Herren," lächelte Balling. „In der rechten Ecke des Raumes befindet sie sich. Sie ist gut getarnt."
Rolf war aufgestanden und zu ihm getreten. Er musterte die angegebene Stelle und sagte:
„Sie haben recht, Herr Balling. Es fragt sich nur, ob sie einen so großen Durchmesser hat, daß ein Mensch hindurch kriechen kann."
Ich sah in der Ecke nur grauen Felsen mit einigen Unebenheiten, aber gerade sie verdeckten die Lüftungsanlage so gut, daß man sie nur durch Zufall oder mit einem für diese Dinge besonders geschulten Blick erkennen konnte.
„Wir wollen die Lampen ausknipsen und im Dunkeln die Anlage untersuchen," ordnete Rolf an.
„Ich halte es für richtiger, damit bis zur Nacht zu warten, meine Herren. Da können wir die Lampen löschen, ohne Mißtrauen zu erwecken."
„Dann legen wir uns jetzt schlafen," meinte Rolf. „So nützen wir die Zeit am besten. Wir haben noch von der letzten Nacht viel nachzuholen."
Wir fanden Rolfs Vorschlag gut und legten uns nieder, nachdem wir uns noch einmal gestärkt hatten. Ich war bald ins Reich der Träume hinüber geschlummert.
Als Rolf mich am Arm berührte, erwachte ich. Ich war sofort blitzmunter und fühlte mich neu gestärkt. Also mußte ich ziemlich lange geschlafen haben.
„Steh auf, Hans! Wir müssen versuchen, ob wir durch die Entlüftungsanlage entfliehen können. Wenn einer auf des andern Schulter steigt, werden wir die maskierte Öffnung erreichen."
Da wir nicht wagen konnten, die Taschenlampen anzuknipsen, turnten wir im Dunkeln in der Ecke hoch. Balling machte den Untermann, ich stieg auf seine Schultern, auf meine Schultern kletterte Rolf. So konnte er die Öffnung bequem erreichen.
Lange blieb er oben. Ich hörte ihn
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