Rolf Torring 119 - Doktor Tjus Karawane
gefesselt am Boden einer geräumigen Höhle. Um uns herum saßen neun Chinesen, die Männer der beiden Karawanen, und schauten mit hasserfüllten Blicken auf uns. Ich war mir sofort darüber klar, was nun geschehen würde. Es kam so, wie ich dachte. Der Besitzer der zweiten Karawane, der große Chinese, beschuldigte uns, beide Karawanen überfallen und ausgeraubt zu haben. Jetzt eine andersgeartete Erklärung abzugeben, hätte wenig Sinn gehabt. Rolf schien wie ich zu denken, denn er fragte den großen Chinesen nur, ob er sich den Inhalt der Sänfte angesehen hätte.
Der Chinese nickte und sagte: „Die Sänfte war leer. Sie wollten damit wohl einen Teil unserer Waren fortschleppen." Rolf lachte hell auf.
„Dazu hätten wir unsere drei guten Pferde, die oberhalb des Bergpasses in einer Höhle stehen, weit besser gebrauchen können. Wenn Sie die Lüge glauben, daß die Sänfte uns gehört, werde ich lieber schweigen."
„Das sollen Sie nicht, ich möchte ja nur wissen, wo Sie meine Waren gelassen haben. Wenn Sie uns nicht freiwillig das Versteck angeben, werden wir Sie dazu zwingen."
„Zwingen!" lachte Rolf grimmig auf. „Sie zwingen die Falschen!"
„Lassen Sie diese Tonart!" sagte der Chinese hart. Rolf wurde wieder ganz ruhig.
„Sie werden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, mein Herr. Ich weiß, wo Ihre Waren sind. Zwar kenne ich das Versteck noch nicht, aber mir ist die Richtung bekannt, nach der Ihre Waren geschleppt wurden. Die Höhle würden wir finden. Darauf können Sie sich verlassen."
„Er versucht, sich herauszureden," warf Kubang, der Führer von Doktor Tjus Karawane, hin. „Sie haben sich schon in Fu Tschou unliebsam bemerkbar gemacht, diese Leute hier. In der Nacht haben sie ja auch uns überfallen, aber irgendetwas muß sie dabei gestört haben. Ich schlage Ihnen vor, mit mir nach der Stadt zu reiten und die Polizei zu benachrichtigen. "
Die beiden Chinesen konnten sich nicht einigen. Sie hatten sich übrigens bisher der englischen Sprache bedient, die sie recht gut beherrschten. Jetzt begann Kubang, sich in seiner Muttersprache mit dem anderen Karawanenführer zu unterhalten. Wir konnten nicht mehr verstehen, was sie redeten. Aber schließlich schien Kubang ein Argument gefunden zu haben, das den anderen überzeugte. Der Karawanenführer nickte. Das bedeutete Einwilligung.
„Wir sind zu folgendem Entschluß gekommen," wandte sich der Karawanenbesitzer wieder in Englisch an uns: „Zwei Diener meines Bekannten und meine beiden Begleiter werden sofort in Fu Tschou Anzeige erstatten. Es wird einige Zeit dauern, bis die Polizei hier ist. Wenn ihr uns bis dahin unser Eigentum zurückgebt, soll die Strafe, die wir über euch verhängen, nicht allzu hart sein. Wir werden euch leicht fesseln und hier zurücklassen, so leicht, daß ihr euch selbst befreien könnt. Grundbedingung bleibt: die Ware zurück!"
Die vier Diener hatten sich schon vom Lagerplatz entfernt. Rolf stieß mich heimlich an und sagte:
„Paß auf, was jetzt kommt!"
Der Besitzer der zweiten Karawane war ja jetzt allein mit Kubang und seinen Helfern, die mit der Polizei natürlich nichts zu tun haben wollten. Auch mir war klar, daß sich Doktor Tjus Leute unterwegs der Begleiter des chinesischen Karawanenbesitzers auf irgendeine Art entledigen würden.
„Na, die Herren?" begann der Chinese wieder, zu uns gewandt. „Heraus mit der Sprache!"
„Seien Sie vorsichtig, mein Herr" meinte Rolf nur. „Die wirklichen Banditen sind ganz in der Nähe."
„Haben Sie schon so etwas gehört?!" lachte Kubang auf. „Die Kerle wollen wohl jetzt auch noch behaupten, daß sie uns nicht ausgeplündert haben."
„Jawohl," sagte Rolf mit Betonung. Zu dem Karawanenbesitzer fuhr er fort: „Was ich Ihnen jetzt sage, wird eintreffen, mein Herr. Achten Sie genau auf meine Worte! Der 'Gentleman' hier ist der eigentliche Räuber. Mit unseren eigenen Augen haben wir mitangesehen, wie Sie und Ihre Kameraden überfallen wurden."
„So eine Frechheit ist mir noch nicht vorgekommen!" entrüstete sich Kubang.
Er wollte sich auf Rolf stürzen und sprang auf. Aber Pongo war auf dem Posten. Er stellte Kubang ein Bein, daß er hinstürzte. Der zweite Chinese war auch aufgesprungen und hatte sein Messer gezogen. Ehe er aber zustoßen konnte, sagte Rolf schnell:
„Ich sage nochmals, daß Ihr ,Befreier' der eigentliche
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