Rolf Torring 129 - Unter Indianern
Plötzlich rief er:
„Achtung! Er kommt!"
Rolf löschte seine Lampe, so daß der Raum nur noch von meiner Lampe erhellt wurde, dafür nahm er für alle Fälle das Messer in die rechte Hand.
Durch den Türspalt schob sich der Kopf des Jaguars. Die Raubkatze fauchte, erst leise, dann lauter. Rolf sprach dem Tier, das der Schein meiner Lampe an der Sicht hinderte, gütlich zu, ohne daß das Fauchen dadurch geringer geworden wäre. Wenn der Indianer in der Nähe gewesen wäre, würde er bestimmt jetzt auf das Fauchen seines Jaguars herbeigeeilt sein.
Ich zog mit der Linken Professor Membro ganz dicht an mich heran und drückte mich mit ihm seitlich an Rolf, der langsam nach der Mitte des Raumes zurückwich, vorbei.
Die Raubkatze duckte sich zum Sprunge. Rolf trat noch ein paar Schritte rückwärts. Dann sprang das Tier. In dem Augenblick warf sich Rolf weit nach vorn flach auf den Boden, so daß der Jaguar über ihn hinweg sprang. Sofort sprang Rolf wieder auf die Beine.
Unterdessen hatte ich mich mit dem Professor schon durch den Türspalt hindurch gedrückt. Es ging besser, als ich dachte. Rolf hatte die Tür auch schon erreicht und folgte uns. Der Jaguar schaute sich ziemlich verdutzt in der nur noch schwach von meiner Lampe erhellten Höhle um und wendete zu uns; ehe er aber an die Tür heran traben konnte, hatten wir den Eingang mit einem kräftigen Ruck bereits wieder verschlossen.
„Der ist auf Nummer Sicher!" lachte Rolf ganz leise. „Und wo ist der andere?"
Der andere Jaguar war nicht da, er kam auch nicht. Wir schlichen den Gang entlang bis zur Grabkammer und betraten das Gewölbe der Mumien. Der Indianer war nicht hier. Wir eilten zum Sockel des Häuptlings, wo unsere Waffen lagen und steckten sie zu uns.
„Jetzt kann der andere Jaguar ruhig kommen!" sagte Rolf zuversichtlich. „Was machen wir aber mit dem alten Indianer, der so fest an seinem Glauben hängt?"
Professor Membro hatte schon wieder Lust, in der Grabkammer weiter zu forschen, bekommen. Rolf aber meinte, da müßten wir erst mit dem alten Indianer einig werden.
„Ich wundere mich, wo er steckt," sagte ich. „Laß uns schnell ins Tal hinausgehen, Rolf! Hoffentlich ist da nichts passiert!"
Mich hatte eine innere Unruhe ergriffen, für die ich keinen Namen wußte. Ich kannte dies Gefühl selten, und wenn es ab und zu einmal auftrat, war bestimmt etwas geschehen, das nichts Angenehmes bedeutete.
In Eile durchschritten wir den ins Freie führenden Gang. Der Felsblock verschloss den Ausgang. Wir mußten uns gemeinsam anstrengen, ihn beiseite rücken zu können. Welche Kraft mußte doch der alte Indianer besitzen, der ihn stets ganz allein bewegte!
Endlich standen wir im Freien. Der Mond ergoss sein Licht über das Tal. Von Erika Membro und Pongo sahen wir noch nichts. Wir beschleunigten unsere Schritte. An unserem Lagerplatz lag zwar noch unser Gepäck, aber des Professors Tochter und unser schwarzer Freund waren nicht da. Das brauchte nicht unbedingt ein Unglück zu bedeuten, dennoch steigerte sich meine Unruhe.
Während wir noch überlegten, wo die beiden sein könnten, stand — wie aus der Erde gewachsen — Pongo plötzlich neben uns. Wir hatten ihn nicht kommen hören. Erstaunt fragte er, wo Erika Membro sei. Er sei vom Lagerplatz weggeschlichen, um den Jaguar abzuwehren, der sich genähert hätte.
„Wo ist der Jaguar?" fragte Rolf.
„Durch die Schlucht entkommen, Masser Torring," antwortete Pongo.
„Und wo ist Fräulein Membro?" fragte ich.
„Hier warten sollen," klagte Pongo.
„Dann ist während deiner Abwesenheit jemand hier gewesen, Pongo, und hat sie geraubt. Das kann nur der Indianer oder Raster gewesen sein!"
Der Professor war bleich geworden, er hatte sich schon so gefreut, seine tapfere Tochter hier begrüßen zu können, und erlebte nun eine solche Enttäuschung.
„Wenn der Indianer Fräulein Membro weggeschnappt hat, wird er sie in seine Höhle geschleppt haben," meinte Rolf. „Also dorthin zurück!"
Mit langen Schritten ging er uns schon voran, ohne unsere Antwort abzuwarten. Pongo machte den Schluss, um uns vor dem zweiten Jaguar zu schützen, der jeden Augenblick aus der Schlucht durch das Tal zurückkommen konnte.
Die Tür des Indianergrabes, die wir offen gelassen hatten, war wieder verschlossen. Pongo bemühte sich zunächst allein, sie zu öffnen. Er
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