Rolf Torring 131 - Der Skorpion
hatte die Laute auch gehört und rief: „Sie kommen schon! Schnell! Wir müssen uns beeilen! Pongo. wir klettern auf deine Schultern und ziehen dich später an den Armen hoch bis zum Fenstersims!"
In langen Sätzen eilten wir über den seidigen Rasen bis unter das von Rolf bezeichnete Fenster.
Unser schwarzer Freund stellte sich sofort mit dem Rücken an die rauhe Mauer und legte die Hände aufeinander, so daß wir hineintreten konnten. Er hob uns sogar noch ein Stück an, und so gelangten wir ohne Schwierigkeit bis zur Fensterbank.
Rolf lauschte kurz und schwang sich in das dunkle Zimmer hinein. Ich folgte ihm. Als ich neben ihm stand, flüsterte er mir zu:
„Nebenan ist alles still. Vielleicht haben wir Glück und treffen den Gouverneur allein an."
Einige Sekunden warteten wir noch, bis Pongo, der unsere Hilfe abgelehnt hatte, sich im Fensterrahmen gegen den helleren Himmel abhob.
„Fass Pongo an!" raunte Rolf mir zu. „Ich werde führen. Hier stehen eine Menge Möbel herum. Ich habe die Tür zum Arbeitsraum aber schon entdeckt."
Auch meine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit, die im Zimmer herrschte, gewöhnt. Durch eine schmale Türritze schimmerte ein wenig Licht vom Nebenzimmer her in den Raum, in dem wir uns befanden und noch kaum zu atmen wagten.
Ich faßte Pongos Hand, obwohl ich es für überflüssig hielt, denn der schwarze Riese fand sich zwischen den zahlreichen Möbeln bestimmt leichter und besser hindurch als ich. In den langen Jahren seines Lebens im Urwald hatte er gelernt, sich auch durch Hindernisse hindurch vorzuarbeiten, ohne sie zu berühren.
Der dicke Teppich, mit dem das Zimmer bis zu den Wänden ausgelegt war, dämpfte den Laut unserer Schritte. Unhörbar kamen wir vorwärts. Geschickt geleitete Rolf uns um Tische und Stühle herum. Endlich standen wir vor der Tür, die ins Arbeitszimmer des Gouverneurs führte.
Noch einmal lauschten wir angestrengt, konnten nebenan aber gar nichts hören. Ob der Gouverneur nicht In dem Raum war?
„Der Gouverneur darf kein Alarmsignal geben," flüsterte Rolf mir zu. „Wir müssen ihn so überrumpeln, bei unserem Eintritt schon so faszinieren, daß er gar nicht daran denkt. Und wenn wir ihn zunächst mit der Waffe bedrohen müssen!"
An Rolfs Bewegungen merkte ich, daß er die Pistole zog. Ich nahm an, daß mein Freund jetzt die Hand auf die Klinke legen und sie vorsichtig niederdrücken würde.
In dem Augenblick aber wurde die Tür von der anderen Seite her ungestüm aufgerissen, und vor uns — stand ein Diener des Gouverneurs in bunter, reichverzierter Uniform
Sein Schreck war bestimmt größer als unserer. Er öffnete den Mund, um zu rufen oder zu schreien, brachte aber vor Schreck keinen Ton heraus. Die Zeit genügte Rolf, ihn mit einem Ruck ins Dunkel des Zimmers zu ziehen und ihm hastig zuzuflüstern:
»Einen Laut — und Sie sind des Todes!"
Der Diener war so perplex, daß er nicht wagte, sich bemerkbar zu machen. Rolf zog ihn ein Stück weiter nach der Wand hin, während ich vorsichtig die Tür zum Zimmer des Gouverneurs andrückte.
„Antworten Sie auf meine Fragen!" zischte Rolf den Diener an.
Ich hatte einen Blick in das erleuchtete Arbeitszimmer geworfen, das tatsächlich so groß wie ein kleiner Saal war. Es diente sicher auch für Audienzen. Außer dem Diener konnte niemand in dem Raum gewesen sein, denn ich sah keinen Menschen, obwohl ich fast die ganze Fläche gut überschauen konnte.
Der Schreibtisch war sauber aufgeräumt. Der Diener hatte das Zimmer wohl eben noch in Ordnung gebracht. Daß der Gouverneur schon zu Bett gegangen war, glaubte ich allerdings nicht. Wer weiß, wo er sich befand.
„Wo ist der Gouverneur!?" hörte ich hinter mir Rolfs scharfe Stimme.
„Auf seinem Landsitz!" antwortete der Diener mit zitternden Knien.
„Wann kommt er zurück?"
„Das weiß ich nicht genau. Wahrscheinlich morgen abend."
„Kann man ihn telefonisch erreichen?"
„Nein, mein Herr, die Leitung ist seit heute früh gestört."
„Ist der Landsitz weit entfernt?"
„ Mit einem guten Auto ist man in einer Stunde dort."
„Kennen die Taxenschofföre das Landhaus?"
„Ich nehme es an, mein Herr."
„Eine Stunde!" sagte Rolf vor sich hin. „Dann würden wir es vielleicht noch schaffen. Es tut mir leid, wir müssen Sie jetzt fesseln und
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