Rollende Steine
behauptet die Alte.
Auf der anderen Seite des Ladens schepperten Becken.
»Entschuldigung!« rief Lias.
Glod öffnete den Deckel eines Objekts, das Imp nun zum erstenmal
sah. Tasten kamen darunter zum Vorschein. Die kurzen, stummelartigen
Finger des Zwergs berührten sie und entlockten ihnen mehrere traurige,
blecherne Töne.
»Was ist das?« hauchte Imp.
»Ein Tafelklavier«, sagte Glod.
»Können wir was damit anfangen?«
»Ich glaube nicht.«
Imp straffte sich. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Nun, die
Alte behielt sie al e im Auge, aber es gab hier noch etwas anderes…
»Diese Dinge nützen uns nichts«, sagte er laut.
»He, was war das?« fragte Glod.
»Ich habe gesagt, diese Dinge…«
»Ich höre etwas.«
»Was?«
»Es hat sich gerade wiederholt.«
Hinter ihnen krachte es, als Lias einen Kontrabaß aus einem Haufen
alter Notenständer zerrte und versuchte, in den spitzen Teil zu blasen.
»Es ertönte ein komisches Geräusch, als du eben gesprochen hast«,
meinte Glod. »Sag was.«
Imp zögerte: das typische Verhalten von jemandem, der sein ganzes
Leben lang eine Sprache gesprochen hat und plötzlich aufgefordert wird,
»etwas zu sagen«.
»Imp?« erwiderte er versuchsweise.
WAMM- Wamm-wamm.
»Es kam von…«
WUMM- Wumm-wumm.
Glod schob einen Stapel uralter Notenblätter beiseite. Dahinter er-
streckte sich ein Instrumentenfriedhof, unter anderem bestehend aus
einer Trommel ohne Bespannung, einem aus Lancre stammenden Du-
delsack ohne Spielpfeifen und einer einzelnen Maraca, die vermutlich für
einen Zen-Flamencotänzer bestimmt war.
In dem Durcheinander lag noch etwas anderes.
Glod holte es hervor. Es sah aus wie eine Gitarre, die jemand mit ei-
nem stumpfen Meißel aus einem alten Holzblock gehauen hatte. Zwerge
spielten zwar keine Saiteninstrumente, aber Glod war durchaus imstande,
eine Gitarre zu identifizieren. Sie sollte wie eine Frau geformt sein, doch in diesem Fal traf das nur zu, wenn man an eine Frau ohne Beine mit
langem Hals und zu vielen Ohren dachte.
»Imp?« fragte er.
»Ja?«
Whauauaum. Das Geräusch war scharf und drängend. Das Instrument
hatte zwölf Saiten, doch der Schal körper war nicht etwa hohl, sondern
massiv. Eigentlich diente er nur dazu, die Saiten zu halten.
»Es hat auf deine Stimme reagiert«, sagte Glod.
»Wie…«
Whaum-wha.
Der Zwerg preßte die Hände auf die Saiten und winkte seine beiden
Kol egen näher.
»Wir sind hier in unmittelbarer Nähe der Universität«, flüsterte er.
»Ständig leckt Magie durch ihre Mauern. Das ist al gemein bekannt. Oder
ein Zauberer hat dieses Ding verpfändet. Man schaue einer geschenkten
Ratte nicht ins Maul, lautet mein Motto. Kannst du Gitarre spielen?«
Imp erbleichte.
»Meinst du etwa… Vollksmusik?«
Er nahm das Objekt entgegen. In Llamedos hielt man nicht viel von
Volksmusik, und von entsprechenden Liedern wurde ausdrücklich abge-
raten. Man vertrat folgenden Standpunkt: Wer eines Morgens im Mai
eine holde Maid sah, sollte gefälligst alle notwendigen Schritte unter-
nehmen, ohne daß dauernd jemand mitschrieb. Und was Gitarren betraf:
Sie galten als… zu leicht.
Imp berührte die Saiten und hörte seltsam exotische Geräusche. Er
vernahm sonderbare Resonanzen und Echos, die im Plunder des Ladens
verschwanden, dort zusätzliche Harmonien suchten und dann zurück-
kehrten. Die Klänge ließen ihn erschauern. Nun, ohne irgendein Instrument konnte man nicht einmal der schlechteste Musiker auf der ganzen Welt sein.
»Na schön«, sagte Glod.
Er drehte sich zu der Alten um.
»Das hier ist überhaupt kein richtiges Musikinstrument«, behauptete er.
»Sieh nur – die Hälfte fehlt.«
»Gl od, ich gl aube nicht…«, begann Imp. Unter seiner Hand zitterten
die Saiten.
Die alte Frau betrachtete den Gegenstand.
»Zehn Dollar«, sagte sie.
»Zehn Dol ar?« wiederholte Glod. » Zehn Dol ar ?Das Ding ist nicht einmal zwei Dol ar wert.«
»Stimmt«, erwiderte die Alte. Ihre Miene erhel te sich auf unheilver-
kündende Weise. Sie schien sich darauf zu freuen, das Schlachtfeld des
Feilschens zu betreten.
»Und es ist alt«, fügte Glod hinzu.
»Eine Antiquität.«
»Und der schlechte Klang… vol kommen ruiniert.«
»Ein weicher und sanfter Ton. Solche Handwerkskunst gibt es heutzu-
tage nicht mehr.«
»Weil die Handwerker inzwischen dazugelernt haben.«
Imp sah erneut auf den Gegenstand hinab. Die Saiten vibrierten von
ganz allein. Sie glühten
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