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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Körpers, seiner Schönheit, seiner Kraft und Anmut war das! Ach, dieser Jehova, dieser königliche, furchtbare und väterliche Greis, hingerissen vom Orkan seiner Schöpfung, mit ausgebreiteten Armen Welten gebärend! Und dieser herrliche Adam mit den edlen Umrissen und der ausgestreckten Hand, den Jehova mit einer bewunderungswürdigen Geberde mit dem Finger belebt, ohne ihn zu berühren! Ein geheiligter Raum liegt zwischen dem Finger des Schöpfers und dem des Geschöpfes, ein kleiner Raum, der aber die Unendlichkeit des Unsichtbaren und des Geheimnisvollen enthält. Und diese mächtige, anbetungswürdige Eva, diese Eva mit den kräftigen Hüften, die im stande sind, die künftige Menschheit zu tragen! Sie besitzt die stolze, zärtliche Anmut des Weibes, das bis zur Verdammnis geliebt sein möchte; sie ist das ganze Weib in seiner Verführung, seiner Fruchtbarkeit, seiner Herrschaft. Sogar die in den vier Ecken der Fresken auf Pilastern sitzenden dekorativen Figuren feierten den Triumph des Fleisches: die über ihre Nacktheit glücklichen zwanzig jungen Männer mit dem prächtigen Torso und den unvergleichlichen Gliedern, sie sind so lebensvoll, daß eine wahnsinnige Sucht nach Bewegung sie hinreißt, biegt und in prächtigen Stellungen zurückwirft. Und zwischen den Fenstern thronen die Riesen, die Propheten und die Sibyllen, Mann und Weib, die nun Götter geworden, maßlos an Muskelkraft und in der Größe des geistigen Ausdrucks: Jeremias, den Ellenbogen aufs Knie, das Kinn in die Hand gestützt, versunken in Gesichte und Träume; die erythräische Sibylle mit dem reinen Profil, so jung in ihrer Ueppigkeit, einen Finger auf das offene Buch des Schicksals gelegt; Jesaias mit dem starken Munde der Wahrheit, unter den glühenden Kohlen ganz geschwollen, stolz, das Gesicht halb abgewandt und eine Hand mit befehlender Geberde erhoben; die cumäische Sibylle, furchterweckend durch ihr Wissen und Alter, fest wie ein Felsen, mit ihrem gefurchten Gesicht, ihrer Raubvogelnase, ihrem viereckigen, vorstehenden, eigensinnigen Kinn; Jonas, so, wie der Fisch ihn eben ausgespieen, in einer außerordentlichen Verkürzung, mit verzerrtem Rumpf, mit gekrümmten Armen, zurückgeworfenem Kopfe, im Schreien weit geöffnetem Munde. Und dann alle die anderen, alle die anderen – alle aus derselben großen und majestätischen Familie, herrschend in der Hoheit ewiger Gesundheit und ewiger Verständigkeit, die Verkörperung des Traumes von einer unzerstörbaren größeren und höheren Menschheit! Auch in den Spitzbogen der Fenster, den Lunetten sproßten und drängten sich Gestalten voll Schönheit, Macht und Anmut. Es sind die Vorfahren Christi, träumerische Mütter mit schönen nackten Kindern, Männer mit weitschauendem, in die Zukunft gerichtetem Blick, die gestrafte, erschöpfte, den verheißenen Heiland ersehnende Rasse. In den Gewölbezwickeln der vier Winkel hingegen treten lebendig biblische Scenen hervor, die Siege Israels über den Geist des Bösen. Und endlich die gewaltige Freske des Hintergrundes, das jüngste Gericht mit seinen wimmelnden Gestalten, die so zahllos sind, daß es Tage braucht, um sie alle gut zu sehen! Es ist eine rasende, von einem brennenden Odem des Lebens hingerissene Menge – von den Toten an, die von den wild in die Posaune stoßenden Engeln der Apokalypse geweckt werden, von den Verstoßenen, die die Dämonen in die Hölle zurückwerfen, bis zu dem von Aposteln und Heiligen umgebenen Richter Jesus, bis zu den strahlenden Erwählten, die von Engeln gestützt, aufsteigen, wahrend noch weiter oben andere, mit den Instrumenten der Passion beladene Engel in voller Verklärung triumphiren. Und dennoch bewahrt die Decke über diesem riesigen Gemälde, das der Künstler dreißig Jahre später in der Reife des Lebens malte, ihren Schwung, ihre sichere Ueberlegenheit; denn in ihr hat er seine unberührte Kraft, seine ganze Jugend, das erste Aufflammen seines Genius hingegeben.
    Pierre vermochte kein Wort zu finden. Michel Angelo war das Ungeheuer, das alles beherrschte, alles niederdrückte. Um dies einzusehen, brauchte man nur neben der Ungeheuerlichkeit seines Werkes die Werke Peruginos, Pinturicchios, Rosselis, Signorellis, Botticellis, alle die bewundernswerten vorderen Fresken anzusehen, die sich unter dem Karnies rings um die Kapelle ziehen.
    Narcisse hatte die Augen nicht zu der zerschmetternden Pracht der Decke aufgeschlagen. In Verzückung versunken, verwandte er keinen Blick von Botticelli, der

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