Rom: Band 1
sah eben meinen Vetter, Monsignore Gamba del Zoppo, und kann Ihnen eine gute Nachricht mitteilen ... Er wird uns morgen vormittag gegen elf Uhr in seinen Gemächern im Vatikan empfangen. – Ich glaube wohl, daß er es versuchen wird, Sie beim heiligen Vater einzuführen,« fügte er mit noch leiserer Stimme hinzu. »Kurz, die Audienz scheint mir gesichert zu sein.«
Pierre empfand eine große Freude über diese Nachricht, die er da in diesem traurigen Salon erhielt, wo er sich seit beinahe zwei Stunden abhärmte und in Verzweiflung geriet. Also doch endlich eine Lösung! Nachdem Narcisse Dario die Hand gedrückt hatte, begrüßte er Benedetta und Celia; dann näherte er sich seinem Oheim, dem Kardinal, der sich endlich, nachdem er die alte Verwandte los geworden, zum Reden entschloß. Aber er sprach von nichts als von seiner Gesundheit, dem Wetter, den unbedeutenden Anekdoten, die man ihm erzählt hatte, niemals aber ein Wort über die tausend verwickelten und schrecklichen Angelegenheiten, die er in der Propaganda braute. Es war, als ob er außerhalb seines Bureaukratenzimmers in diesem Zurücktreten, dieser Mittelmäßigkeit ein Bad nehme, wo er sich von den Sorgen um die Regierung der Welt ausruhte. Nun erhob sich alles und begann sich zu verabschieden.
»Vergessen Sie nicht,« schärfte Narcisse Pierre ein; »morgen vormittag um zehn Uhr suchen Sie mich in der Sixtinischen Kapelle auf. In der Zwischenzeit bis zu unserem Rendezvous werde ich Ihnen die Botticellis zeigen.«
Am nächsten Tage befand sich Pierre, der zu Fuß gekommen war, bereits um halb zehn auf dem großen Platze. Ehe er sich nach rechts zur Bronzethür an der Ecke der Kolonnade wendete, hob er die Augen und blieb ein paar Minuten stehen, um den Vatikan zu betrachten. Er konnte sich nichts Monumentaleres vorstellen, als diesen Haufen von Gebäuden, die ohne jede architektonische Ordnung, ohne jede Regelmäßigkeit im Schatten des Domes von St. Peter aufgewachsen waren. Ein Dach legte sich über das andere, die Fassaden streckten sich breit und flach hin, sowie eben die Flügel hinzugefügt und aufgebaut worden waren. Nur die drei Seiten des St. Damasiushofes erschienen symmetrisch über der Kolonnade; mit den großen Fenstern der ehemaligen, jetzt geschlossenen Loggien ähnelten sie drei ungeheueren Treibhäusern, und ihr rötliches Gestein funkelte in der Sonne. Das also war der schönste, der größte Palast der Welt mit elftausend Sälen, die die bewundernswertesten Kunstwerke des menschlichen Geistes enthielten! Aber Pierre interessirte sich in seiner Enttäuschung nur für die hohe, rechte Fassade, die auf den Platz geht; denn er wußte, daß sich dort die Fenster der Privatwohnung des Papstes im zweiten Stockwerk befanden. Er betrachtete lange diese Fenster; man hatte ihm gesagt, daß das fünfte rechts das Schlafzimmerfenster war, wo man täglich bis sehr spät in die Nacht eine Lampe brennen sah.
Was befand sich hinter dieser Bronzethür da vor ihm, die die heilige Schwelle, die Verbindung zwischen allen Reichen der Erde und dem Reiche Gottes war, dessen erhabener Vertreter sich zwischen diesen hohen, stummen Mauern eingekerkert hatte? Er betrachtete aus der Ferne die mit dicken, viereckigen Nägeln beschlagenen Thürfelder aus Metall und fragte sich, was wohl diese harte, alte Festungsthüre verteidigte, was sie verbarg, vermauerte? Was für eine Welt würde er hinter ihr finden, was für einen im Dunkeln eifersüchtig gehüteten Schatz von Menschenliebe, was für eine Wiedergeburt der Hoffnung für die neuen, nach Brüderlichkeit und Gerechtigkeit dürstenden Völker? Er gefiel sich in diesem Traum von einem einzigen und heiligen Hirten, der im Hintergrunde dieses geschlossenen Palastes wacht und die endgiltige Herrschaft Jesus vorbereitet, während die alten, verfaulten Zivilisationen in Staub zerfallen, der endlich im Begriffe war, diese Herrschaft zu verkündigen, indem er aus unseren Demokratien die vom Heiland verheißene große christliche Gemeinde machte. Ja, die Zukunft bereitete sich hinter dieser Bronzethür vor und die Zukunft würde zweifellos daraus hervorgehen.
Plötzlich sah sich Pierre zu seiner Ueberraschung Monsignore Nani gegenüber, der eben den Vatikan verließ, um zu Fuße die paar Schritte nach dem Palaste des S. Offizio zu gehen, wo er in seiner Eigenschaft als Assessor wohnte.
»Ach, Monsignore, ich bin so glücklich. Mein Freund, Herr Habert, wird mich seinem Vetter, Monsignore Gamba del Zoppo, vorstellen,
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