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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Loggien hat, interessirte ihn noch mehr, als er bemerkte, daß sich ihm gegenüber auf der andern Seite des Damasiushofes das vom Papste bewohnte Stockwerk befand. Unten lag der Hof mit seinem Portikus, seinen Springbrunnen, seinem weißen Pflaster hell und nackt in der brennenden Sonne da. Hier war entschieden nichts von dem Schatten, dem gedämpften frommen Geheimnis, von dem die Umgebungen der alten nordischen Kathedralen ihn hatten träumen lassen. Rechts und links von der Rampe, die zum Papste und zum Kardinalsekretär führte, hielten fünf Wagen; die Kutscher saßen steif auf ihren Sitzen, die Pferde standen unbeweglich in dem hellen Lichte, und keine menschliche Seele belebte die Einsamkeit des riesigen, viereckigen Hofes mit den drei Stockwerken der Loggien, die mit ihren vielen Scheiben ungeheuren Treibhäusern glichen. Der Glanz der Scheiben, der rote Ton des Steines schienen die Nacktheit des Pflasters, der Fassaden mit einer Art ernster Majestät zu vergolden, wie einen heidnischen, dem Gott der Sonne geweihten Tempel. Was jedoch Pierre noch mehr auffiel, war das wunderbare Panorama von Rom, das sich unter diesen Fenstern des Vatikans entfaltete. Er hatte sich das gar nicht vorgestellt, und mit einemmale packte ihn der Gedanke, daß der Papst von seinen Fenstern aus das ganze Rom vor sich ausgebreitet sähe, zusammengedrängt, als brauche er nur die Hand auszustrecken, um es zu fassen. Lange trank er dieses unerhörte Schauspiel mit den Augen und dem Herzen in sich, denn er wollte es mit sich nehmen, in sich bewahren. Die endlosen Träumereien, die es heraufbeschwor, ließen ihn erbeben.
    Ein Stimmengeräusch riß ihn aus seiner Betrachtung und bewog ihn, den Kopf zu wenden; er bemerkte einen Bedienten in schwarzer Livree, der, nachdem er Narcisse eine Botschaft ausgerichtet hatte, sich tief verbeugte.
    Der junge Mann näherte sich mit ärgerlicher Miene dem Priester.
    »Mein Vetter, Monsignore Gamba del Zoppo, läßt mir sagen, daß er uns vormittag nicht empfangen könne. Er wird, scheint es, von einem unerwarteten Dienst abgehalten.«
    Seine Verlegenheit verriet jedoch, daß er an diese Ausflucht nicht glaube und zu argwöhnen begann, daß sein Verwandter, zweifellos von irgend einer guten Seele gewarnt und erschreckt, vor dem Kompromittirtwerden zitterte. Da er sehr gefällig und tapfer war, empörte ihn das. Zuletzt lächelte er und fügte hinzu:
    »Hören Sie, vielleicht gibt es ein Mittel, den Zutritt zu erzwingen ... Wenn Sie über den Nachmittag frei verfügen können, werden wir zusammen frühstücken und dann hierher zurückkommen, um die Antikensammlung zu besichtigen. Es wird mir wohl gelingen, meinen Vetter zu treffen, ganz abgesehen davon, daß wir durch einen glücklichen Zufall den Papst selbst treffen können, wenn er sich in die Gärten begibt.«
    Bei der Ankündigung, daß die Audienz wieder hinausgeschoben sei, hatte Pierre zuerst die lebhafteste Enttäuschung empfunden. Er nahm daher, da sein ganzer Tag frei war, sehr gerne das Anerbieten Narcisses an.
    »Sie sind zu liebenswürdig. Ich fürchte nur, daß ich Ihre Güte mißbrauche ... Tausend Dank.«
    Sie frühstückten gegenüber von St. Peter in einem kleinen Restaurant des Borgo, das gewöhnlich von Pilgern besucht wurde. Das Essen war dort übrigens sehr schlecht. Dann gingen sie gegen zwei Uhr rund um die Basilika über die Piazza della Sagrestia und die Piazza S. Martha, um von rückwärts in das Museum zu gelangen. Es ist ein helles, verlassenes und heißes Viertel, wo der junge Priester in verzehnfachtem Maßstäbe das Gefühl kahler, fahler, wie von der Sonne verbrannter Majestät wiederfand, das er bei Betrachtung des Damasiushofes empfunden hatte. Als er den riesigen Chor des Kolosses umschritt, begriff er dessen Ungeheuerlichkeit noch mehr; eine ganze Blüte von Gebäuden ist hier zusammengehäuft, die von den leeren, mit feinem Grase bewachsenen Strecken des Pflasters begrenzt wird. In dieser ganzen stummen Unendlichkeit war nichts anderes zu sehen als zwei im Schatten einer Mauer spielende Kinder. Die einstige päpstliche Münze, die Zecca, die nun italienisch geworden und von den Soldaten des Königs bewacht wird, liegt links von dem zum Museum führenden Gang, während rechts gegenüber sich ein Ehrenthor des Vatikans befindet, wo ein Posten der Schweizer Garde Wache steht. Durch dieses Thor kommen die zweispännigen Wagen, die der Etikette gemäß die Besucher des Kardinalsekretärs und Seiner Heiligkeit in den

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