Rom: Band 1
schrieb ihm, er möge wieder kommen und verpflichtete sich von neuem, niemals einem andern anzugehören. Uebrigens hatte ihre Frömmigkeit noch zugenommen; dieser beharrliche Gedanke, dem erwählten Geliebten ihre Reinheit zu bewahren, vermischte sich in ihrem Kultus mit dem Gedanken der Treue gegen Jesus. Ein feurig liebendes Herz hatte sich in ihr offenbart; sie war bereit, für ihren Schwur das Martyrium zu leiden. Und als ihre Mutter sie verzweifelt, mit gefalteten Händen beschwor, sich in die ehelichen Pflichten zu fügen, antwortete sie, daß sie zu nichts verpflichtet sei, da sie, als sie heiratete, von nichts gewußt habe. Uebrigens änderten sich die Zeiten wieder; die Verständigung zwischen dem Vatikan und dem Quirinal war gescheitert, und zwar derart, daß die Zeitungen der beiden Parteien mit erneuter Heftigkeit ihre Schmähungs-Campagne wieder aufnahmen. So stürzte diese Siegesheirat, an der alle Welt wie an einem Friedensunterpfand mitgearbeitet hatte, mit dem allgemeinen Zusammenbruch zusammen, war nur noch eine Ruine neben so vielen anderen.
Ernesta starb daran. Sie hatte sich getäuscht; ihre verfehlte Existenz, ihr freudenloses Eheleben gipfelten in diesem letzten mütterlichen Irrtum. Das Schlimmste war, daß sie ganz allein stand, daß die gesamte Verantwortlichkeit für das Unheil auf ihr ruhte; denn ihr Bruder, der Kardinal, und ihre Schwester Donna Serafina überhäuften sie mit Vorwürfen. Ihr einziger Trost war die Verzweiflung des Abbé Pisoni, der doppelt niedergeschmettert war: durch den Verlust seiner patriotischen Hoffnungen und durch das Bedauern, an einer solchen Katastrophe mitgearbeitet zu haben. Und eines Morgens fand man Ernesta kalt und weiß in ihrem Bette. Man sprach von einer Berstung im Herzen; der Kummer hatte dafür ausgereicht, denn sie litt furchtbar, heimlich, ohne zu klagen, so wie sie ihr ganzes Leben gelitten hatte. Es war nun bereits ein Jahr, daß Benedetta verheiratet war und sich ihrem Gatten verweigerte, aber sie wollte die eheliche Wohnung nicht verlassen, um ihrer Mutter den schrecklichen Schlag eines öffentlichen Skandals zu ersparen, trotzdem ihre Tante Serafina sie beeinflußte, indem sie ihr Hoffnung auf eine Annullirung ihrer Ehe machte, wenn sie sich dem heiligen Vater zu Füßen werfen wolle. Zuletzt gelang es ihr, sie zu überzeugen, nachdem sie – ebenfalls Ratschlägen anderer nachgebend – ihr an Stelle des Abbé Pisoni ihren eigenen Beichtvater, den Jesuitenpater Lorenzo, zum Gewissensrat gegeben hatte. Dieser Jesuitenpater, kaum fünfunddreißig Jahre alt, war ein ernster und liebenswürdiger Mann, mit hellen Augen und von großer Ueberredungsgabe. Benedetta entschied sich aber erst am Tage nach dem Tode ihrer Mutter; erst dann kehrte sie in den Palast Boccanera zurück und bewohnte das Zimmer, in dem sie geboren ward, in dem ihre Mutter eben verschieden. Uebrigens wurde der Prozeß behufs Annullirung der Heirat sofort zur ersten Instruktion an den Generalvikar geleitet, der die Diözese von Rom versah. Man erzählte sich, daß die Contessina sich dazu erst entschlossen hatte, nachdem sie eine geheime Audienz beim Papste erlangt hatte, der ihr die aufmunterndste Teilnahme bezeugte. Graf Prada sprach anfangs davon, seine Frau von Gerichts wegen zur Rückkehr in die eheliche Wohnung zu zwingen. Dann aber, als sein über diese Angelegenheit ganz verzweifelter Vater, der alte Orlando, ihn beschwor, gab er sich damit zufrieden, daß die Verhandlung vor der geistlichen Behörde stattfinde. Am meisten erbitterte es ihn, daß die Klägerin anführte, die Heirat sei infolge Unvermögens des Gatten nicht vollzogen worden. Das ist eines der klarsten Motive und gilt vor dem Gerichtshof von Rom als zulässig. Der Vikar hatte daher in seiner Eigenschaft als Bischof von Rom den Prozeß der Konzilskongregation übertragen, was für Benedetta einen ersten Erfolg bedeutete. So standen gegenwärtig die Dinge und sie erwartete nun das endgiltige Urteil der Kongregation, in der Hoffnung, daß die kirchliche Annullirung der Ehe später ein unwiderstehliches Argument zur Erlangung der Scheidung vor den bürgerlichen Behörden bilden werde. Die Contessina nahm in dem eisigen Gemach, wo ihre Mutter Ernesta ergeben und verzweifelt gestorben war, ihr Mädchenleben wieder auf. Sie gab sich sehr ruhig, sehr beherrscht in ihrer Liebe, denn sie hatte geschworen, sich keinem andern als Dario hinzugeben, und auch ihm erst an dem Tage, da ein Priester sie heilig vor Gott mit
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