Rom: Band 1
Farnese. Er war ein Fünfziger, sehr sanft und sehr gut, von einer in römischen Landen seltenen Nächstenliebe. Die Archäologie, die Liebe zu alten Steinen hatte einen feurigen Patrioten aus ihm gemacht. Man erzählte sich, daß er trotz seiner bescheidenen Stellung mehrmals bei heiklen Angelegenheiten als Vermittler zwischen dem Vatikan und dem Quirinal gedient habe. Da er auch der Beichtvater Benedettas wurde, unterhielt er Mutter und Tochter gern von der Größe der italienischen Einheit, von der triumphirenden Herrschaft Italiens, die mit dem Tage der Aussöhnung zwischen Papst und König anbrechen würde.
Benedetta und Dario liebten sich wie früher, ohne Ueberstürzung, mit der starken und ruhigen Zärtlichkeit von Liebenden, die sich eins wissen. Aber da geschah es, daß Ernesta sich zwischen sie warf und sich hartnäckig ihrer Heirat widersetzte. Nein, nein, nicht Dario, den Vetter, den letzten des Namens, der ebenfalls seine Frau in dem schwarzen Grabe des Palastes Boccanera einsperren würde! Das wäre das fortgesetzte Begrabensein, der verschlimmerte Verfall, dasselbe hochmütige Elend, dasselbe ewige, niederdrückende und einschläfernde Schmollen. Sie kannte den jungen Mann wohl, wußte, daß er ein Egoist und Schwächling war, unfähig, zu denken und zu handeln, daß er seine Rasse lächelnd begraben und die letzten Steine des Hauses über seinem Kopfe zusammenbrechen lassen würde, ohne einen Versuch zur Gründung einer neuen Familie zu machen. Sie aber wollte ein anderes Glück für ihr Kind, wollte es reich und in dem Leben der Sieger und Mächtigen der Zukunft neu erblühen sehen. Von diesem Moment an setzte die Mutter es sich in den Kopf, die Tochter wider ihren Willen glücklich zu machen; sie erzählte ihr ihre Leiden und beschwor sie, ihre jammervolle Geschichte nicht von neuem zu beginnen. Dennoch wäre sie an dem ruhigen Willen des jungen Mädchens, das sich für immer hingegeben hatte, gescheitert, wenn besondere Umstände sie nicht mit dem Schwiegersohn ihrer Träume zusammengeführt hätten. In derselben Villa Montefiori, wo Benedetta und Dario sich verlobt hatten, machte sie die Bekanntschaft des Grafen Prada, des Sohnes Orlando Pradas, eines Helden der italienischen Einheit. Er war im Alter von achtzehn Jahren, gleich nach der Occupation, mit seinem Vater von Mailand nach Rom gekommen und trat zuerst als einfacher Beamter ins Finanzministerium, während der alte Held, nun zum Senator ernannt, bescheiden von einer kleinen Rente, den letzten Trümmern eines im Dienste des Vaterlandes aufgegangenen Vermögens, lebte. Aber die edle Kriegslust des ehemaligen Gefährten Garibaldis hatte sich bei dem jungen Manne in einen wütenden Beutehunger verwandelt, und er wurde einer der wirklichen Eroberer Roms, einer jener Raubvögel, die die Stadt zerstückelten und verschlangen. Er hatte sich in ungeheure Terrainspekulationen eingelassen und war, wie man sich erzählte, schon reich, als er mit dem Fürsten Onofrio in Verbindung trat; den hatte er ganz närrisch gemacht, indem er ihm den Gedanken einflüsterte, den großen Park der Villa Montefiori zu verkaufen, um dort ein ganz neues Viertel bauen zu lassen. Andere behaupteten wieder, er sei der Geliebte der Fürstin, der schönen Flavia, die neun Jahre älter als er, aber noch immer ein herrliches Weib war. In der That steckte in ihm eine heftige Begierde, ein Bedürfnis nach Beutemachen, die ihn vor dem Gut und der Frau eines andern nicht zurückschrecken ließen. Vom ersten Moment an wollte er Benedetta besitzen. Sie konnte er nicht als Geliebte haben, sie mußte geheiratet werden. Und er zögerte keinen Augenblick, sondern brach kurz und bündig mit Flavia; denn er war jählings in Begierde nach dieser reinen Jungfräulichkeit, diesem alten Patrizierblut, das in einem so anbetungswürdig jungen Körper strömte, entbrannt. Als er begriff, daß Ernesta, die Mutter, für ihn war, hielt er, seines Sieges gewiß, bei ihr um die Hand der Tochter an. Es war eine große Ueberraschung, denn er war fünfzehn Jahre älter als sie; aber er war Graf, trug einen Namen, der bereits historisch war, häufte Millionen zusammen, war im Quirinal gern gesehen und hatte die besten Aussichten. Ganz Rom war in Aufregung.
Benedetta konnte sich später nie erklären, wie sie zuletzt hatte einwilligen können. Ein halbes Jahr früher, ein halbes Jahr später wäre eine solche Heirat wegen des furchtbaren Skandals, der dadurch in der schwarzen Gesellschaft entstanden
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