Rom: Band 1
neben dem Fluß da ist's nicht geheuer. Don Vigilio, der Sekretär Seiner Eminenz, hat es schon, das Fieber. Ich sage Ihnen, das ist kein Spaß.«
Sie riet ihm auch, nicht hinabzugehen und sich lieber niederzulegen. Sie würde ihn bei der Prinzessin und bei der Contessina entschuldigen. Schließlich ließ er sie reden und thun, was sie wollte, denn er war außer stande, einen Willen zu äußern. Er folgte jedoch ihrem Rate und aß eine Suppe, einen Hühnerflügel und Confitüren, die Giacomo, der Bediente, ihm heraufbrachte. Und das that ihm sehr wohl; er fühlte sich wiederhergestellt und zwar derart, daß er sich weigerte, sich ins Bett zu legen und absolut noch an diesem Abend den Damen für ihre liebenswürdige Gastfreundschaft danken wollte. Da Donna Serafina am Montag ihren Empfangstag habe, werde er sich vorstellen.
»Schön, schön,« sagte Victorine. »Wenn Sie sich wieder wohl fühlen, wird es Sie zerstreuen. Am besten ist's, daß Don Vigilio, Ihr Nachbar, Sie um neun Uhr abholt und Sie begleitet. Warten Sie auf ihn.«
Pierre hatte sich eben gewaschen und seine neue Sutane angezogen, als Punkt neun Uhr ein diskretes Klopfen an der Thür ertönte. Ein kleiner Mann, ein Priester, trat herein; er war kaum dreißig Jahre alt, mager, schwächlich und hatte ein langes, verwüstetes, safrangelbes Gesicht. Seit zwei Jahren verzehrte ihn das Fieber täglich um dieselbe Stunde. Aber in dem gelben Gesichte brannten, von seiner Feuerseele entfacht, die Flammen seiner schwarzen Augen, wenn er vergaß, sie zu dämpfen.
Er machte eine Verbeugung und sagte einfach, in sehr gutem Französisch:
»Don Vigilio, Herr Abbé, und ganz zu Ihren Diensten. Wenn es Ihnen recht ist, können wir gleich gehen.«
Pierre folgte ihm sofort, indem er ihm dankte, Don Vigilio sprach übrigens nichts mehr und begnügte sich, mit einem Lächeln zu antworten. Sie waren nun die kleine Treppe hinabgestiegen und befanden sich im zweiten Stock auf dem ungeheuer großen Treppenabsatz der Ehrentreppe. Pierre war über die schwache Beleuchtung überrascht und betrübt; in weiten Zwischenräumen flimmerten Gashähne wie in einem verdächtigen Hotel garni, und die gelben Flecke erhellten kaum die tiefe Finsternis der hohen, endlosen Korridore. Es sah gigantisch und düster aus. Selbst auf dem Treppenabsatz, auf den die Thür der Wohnräume Donna Serafinas, gegenüber der zu ihrer Nichte führenden, mündete, deutete nichts darauf hin, daß an diesem Abend ein Empfang stattfinde. Die Thür blieb geschlossen, kein Laut drang aus den Gemächern in die von dem gesamten Palaste ausgehende Todesstille hinaus. Don Vigilio öffnete nach einer neuen Verbeugung leise die Thür, ohne zu klingeln.
Eine einzige, auf einem Tische stehende Petroleumlampe erhellte das Vorzimmer; es war ein großer Raum mit kahlen Wänden, auf denen al fresco ein Behang in Rot und Gold, in antikem Geschmack regelmäßig rings umher drapirt, gemalt war. Auf den Stühlen lagen ein paar Männerüberröcke und zwei Damenmäntel, während die Hüte einen Pfeilertisch bedeckten. Ein Bedienter saß mit dem Rücken gegen die Wand und schlummerte.
Als Don Vigilio zurücktrat, um Pierre in den ersten Salon, ein mit rotem Brokat ausgeschlagenes, halbdunkles und scheinbar leeres Gemach treten zu lassen, sah sich dieser einer schwarzen Erscheinung gegenüber. Es war eine in Schwarz gekleidete Frau, deren Züge er anfangs nicht unterscheiden konnte. Glücklicherweise hörte er, wie sein Begleiter mit einer Verbeugung sagte:
»Contessina, ich habe die Ehre, Ihnen den Herrn Abbé Pierre Froment vorzustellen. Er ist heute früh aus Frankreich angekommen.«
Er blieb einen Augenblick inmitten dieses einsamen Salons, in dem ruhigen Lichte zweier mit Spitzen verschleierter Lampen mit Benedetta allein. Aber jetzt drang ein Geräusch von Stimmen aus dem Nebensalon, einem großen Saale, dessen Thür, deren beide Flügel offen standen, ein helleres Viereck von Licht umschrieb.
Die junge Frau kam ihm sofort sehr liebenswürdig, mit vollkommener Einfachheit entgegen.
»Ah, Herr Abbé! Es freut mich, Sie zu sehen. Ich fürchtete, daß Ihr Unwohlsein am Ende ernst wäre. Aber Sie haben sich schon gänzlich erholt, nicht wahr?«
Er hörte ihr zu, bezaubert von ihrer langsamen, leicht schnarrenden Stimme, in der eine tiefe, verhaltene Leidenschaft in sehr viel weise Verständigkeit überzugehen schien. Nun endlich sah er sie, mit ihrem schweren, braunen Haar, mit ihrer weißen, elfenbeinweißen Haut. Sie
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