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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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ihm verbunden haben würde.
    Gerade war auch Dario, ein halbes Jahr früher, infolge des Todes seines Vaters und einer Katastrophe, die ihn zu Grunde gerichtet hatte, in den Palast Boccanera gezogen. Nachdem Fürst Onofrio auf den Rat Pradas die Villa Montefiori um zehn Millionen an eine Gesellschaft von Finanzmännern verlauft hatte, ließ er sich, statt seine zehn Millionen klug in der Tasche zu behalten, von dem Spekulationsfieber mitreißen, das Rom verzehrte; er begann zu spielen, indem er sein eigenes Terrain zurückkaufte, und verlor schließlich alles in dem furchtbaren Krach, der die Vermögen der ganzen Stadt verschlang. Total ruinirt, sogar verschuldet, setzte der Fürst, ein schöner, populärer Mann, nichtsdestoweniger lächelnd seine Promenaden am Corso fort, als er plötzlich infolge eines Sturzes vom Pferde starb. Und vier Monate später vermählte sich seine Witwe, die noch immer schöne Flavia – sie hatte sich ausgeglichen, um aus dem Sturz eine moderne Villa und vierzigtausend Franken Rente wieder herauszufischen – mit einem wunderschönen, um zehn Jahre jüngeren Mann. Es war ein Schweizer, Namens Jules Laporte, ein ehemaliger Sergeant in der Schweizergarde des heiligen Vaters, hierauf Winkelmakler bei einem Handel mit Reliquien, heute Marquis Montefiori, da er durch ein besonderes Breve des Papstes den Titel zugleich mit der Frau erworben hatte. Die Fürstin Boccanera war wieder die Marquise Montefiori geworden. Nun hatte der Kardinal Boccanera, tief verletzt, von seinem Neffen Dario verlangt, daß er zu ihm in eine kleine Wohnung im ersten Stockwerk des Palastes ziehe. Im Herzen des heiligen Mannes, der der Welt abgestorben zu sein schien, lebte noch der Stolz auf den Namen und eine zärtliche Liebe für diesen zarten Knaben, den letzten der Rasse, den einzigen, durch den der alte Name wieder grünen konnte. Er zeigte sich übrigens einer Heirat mit Benedetta, die er ebenfalls mit väterlicher Neigung liebte, nicht abgeneigt. Indem er beide zu sich in sein Haus nahm, war er so stolz und von ihrer Pietät so fest überzeugt, daß er sich nicht um die abscheulichen Gerüchte kümmerte, welche die Freunde des Grafen Prada seit der Vereinigung von Vetter und Base unter demselben Dache in der weißen Gesellschaft in Umlauf setzten. Donna Serafina behütete Benedetta so, wie er selbst Dario behütete; und in der Stille, dem Dunkel des großen, einsamen, einst von so tragischen, blutigen Gewaltthaten befleckten Palastes lebten nur noch diese vier mit ihren jetzt eingeschläferten Leidenschaften – die letzten Ueberlebenden einer Welt, die an der Schwelle einer neuen Welt zusammenbrach.
    Als der Abbé Pierre Froment jählings mit schwerem Kopf aus peinlichen Träumen erwachte, sah er zu seiner Verzweiflung, daß der Tag sich neigte. Seine Uhr, die er eilig zu Rate zog, wies auf sechs. Er, der höchstens eine Stunde ruhen wollte, hatte in unbesiegbarer Erschöpfung beinahe sieben Stunden geschlafen. Und trotzdem er nun wach war, blieb er auf dem Bette liegen, gebrochen, wie schon vor dem Kampfe besiegt. Woher diese Erschöpfung, diese grundlose Entmutigung, dieser Schauer des Zweifels, der ihn, er wußte nicht warum, während des Schlafes ergriffen hatte und seine junge Begeisterung vom Vormittag zu Boden schlug? Hatten die Boccaneras etwas mit dieser plötzlichen Schwäche seiner Seele zu thun? Er hatte im Dunkel seiner Träume so wirre, so beunruhigende Gestalten gesehen; und sie stiegen auch jetzt noch vor ihm auf; seine Beklemmung ließ nicht nach; er war ganz bestürzt, so in diesem fremden Zimmer zu erwachen, und die Angst vor dem Unbekannten ergriff ihn. Alles kam ihm nicht mehr vernünftig vor; er konnte sich nicht erklären, warum gerade Benedetta dem Vicomte de la Choue geschrieben und ihn beauftragt hatte, ihm mitzuteilen, daß sein Buch der Kongregation des Index angezeigt worden sei. Und welches Interesse konnte sie daran haben, daß der Autor nach Rom kommen solle, um sich zu verteidigen? Und zu welchem Zwecke hatte sie die Liebenswürdigkeit so weit getrieben, ihn bei sich absteigen zu lassen? Mit einem Wort, er war ganz betroffen, daß er, der Fremde, sich in diesem Bette, in diesem Zimmer, in diesem Palaste befand, dessen tiefe Todesstille ihn umgab. Seine Glieder waren zerschlagen, sein Gehirn wie leer; plötzlich sah er klar, er begriff, daß vieles ihm entging, daß sich hinter der scheinbaren Einfachheit der Thatsachen eine ganze Komplikation verbergen müsse. Aber das war nur

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