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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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würde. In seiner Ungeduld war Pierre daher gezwungen, eine direkte Frage zu stellen.
    »Meine Angelegenheit – die mit meinem Buch – kennen Sie doch, nicht wahr? Da Seine Eminenz der Kongregation angehört und die Akten durch Ihre Hände gehen, könnten Sie mir vielleicht eine nützliche Auskunft geben. Ich weiß nichts und sehne mich so sehr, etwas zu erfahren!«
    Im Nu wurde Don Vigilio wieder von seiner ängstlichen Unruhe ergriffen. Zuerst stammelte er, daß er die Akten nicht gesehen habe, was wahr war.
    »Ich versichere Sie, es ist uns noch kein Aktenstück zugekommen. Ich weiß absolut von nichts.« Dann aber, als der Priester noch weiter in ihn drang, machte er ihm ein Zeichen, er möge schweigen, und begann wieder zu schreiben, indem er verstohlene Blicke in das zweite Vorzimmer warf. Ohne Zweifel fürchtete er, daß der Abbé Paparelli zuhöre. Entschieden, er hatte schon zu viel gesprochen. Und er machte sich an seinem Tische ganz klein, verschwand gänzlich in seinem dunklen Winkel.
    Pierre versank nun wieder in seine Träumerei; von neuem überkam ihn all das Unbekannte, die alte, verschlafene Schwermut, die ihn umgab. Endlose Minuten mußten verstreichen; es war beinahe elf Uhr. Endlich weckte ihn das Geräusch von aufgehenden Thüren, das Geräusch von Stimmen. Er verbeugte sich ehrerbietig vor dem Kardinal Sanguinetti, der sich in Begleitung eines andern, sehr magern und großen Kardinals mit einem grauen, langen Asketengesicht entfernte. Aber weder der eine noch der andere schien den einfachen, fremden, kleinen Priester, der sich so vor ihnen verbeugte, auch nur zu bemerken. Sie sprachen laut und vertraulich mit einander.
    »Ja, der Wind legt sich, es war viel heißer als gestern.«
    »Morgen haben wir sicher einen Sirocco.«
    In dem großen, dunklen Gemach entstand wieder feierliche Stille. Don Vigilio schrieb noch immer, ohne daß man das leise Geräusch seiner Feder auf dem harten, gelblichen Papier hörte. Das leise Klingeln eines gesprungenen Glückchens ertönte, und der Abbé Paparelli lief aus dem zweiten Vorzimmer herbei. Er verschwand einen Augenblick im Thronsaal; dann kehrte er zurück, um Pierre mit einem Zeichen der Hand zu rufen.
    »Der Herr Abbé Pierre Froment,« meldete er mit leiser Stimme.
    Auch dieser große Saal war eine Ruine. Unter der wunderbaren Decke aus geschnitztem und vergoldetem Holze hingen die roten Wandtapeten aus Brokat mit großen Palmen in Fetzen herab. Einige Ausbesserungen waren gemacht worden, aber der lange Gebrauch wässerte das dunkle Purpurrot der Seide, das einst von blendendem Glanz gewesen, mit blassen Farbentönen. Die Merkwürdigkeit des Gemaches bildete der alte Thronsessel, der rotseidene Lehnstuhl, in dem einst der heilige Vater Platz genommen hatte, wenn er dem Kardinal einen Besuch abstattete. Ein Baldachin, ebenfalls aus roter Seide, spannte sich über ihm aus; unter demselben war das Porträt des regierenden Papstes befestigt. Im übrigen befanden sich in dem ungeheuer großen Saale leine anderen Möbel als Kanapees, Fauteuils, Stühle und ein wundervoller Tisch Louis XIV. aus vergoldetem Holz mit einer Mosaikplatte, welche die Entführung der Europa darstellte.
    Aber Pierre sah anfangs nichts als den Kardinal Boccanera; er stand aufrecht neben einem andern Tisch, der ihm als Schreibtisch diente. In seiner einfachen, rotbordirten und mit roten Knöpfen versehenen schwarzen Sutane kam er ihm noch größer und stolzer vor wie auf dem Porträt in seiner Galatracht. Es war wohl ganz dasselbe weiße, lockige Haar, das lange, von breiten Falten durchschnittene Gesicht mit der starken Nase und den schmalen Lippen; es waren auch dieselben feurigen Augen unter den dicken, noch schwarzen Brauen, die das blasse Gesicht erhellten: aber das Porträt gab nicht den von dieser hohen Gestalt ausgehenden hehren, ruhigen Glauben wieder, diese feste Ueberzeugung, zu wissen, wo die Wahrheit lag, diesen unbedingten Vorsatz, sich ewig an sie zu halten.
    Boccanera hatte sich nicht gerührt; er sah dem Besucher starr mit seinem dunklen Blick entgegen, und der Priester, der das Zeremoniell kannte, kniete nieder und küßte den großen Rubin, den er am Finger trug. Aber der Kardinal hob ihn sofort auf.
    »Mein lieber Sohn, seien Sie uns willkommen ... Meine Nichte hat mir mit solcher Sympathie von Ihnen erzählt, daß ich glücklich bin, Sie zu empfangen.«
    Er hatte sich neben dem Tische niedergelassen, ohne Pierre auch zum Niedersetzen aufzufordern, und fuhr fort,

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