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Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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abgerechnet den Schwarm der untergeordneten Bedienten, der Köche, der Kutscher, der Stallknechte. Es war eine ganze Bevölkerung, von der die ungeheuren Paläste summten. Mit dieser Bevölkerung erfüllte Pierre jetzt im Geiste die drei riesigen Vorzimmer vor dem Thronsaale; diese Flut von Lakaien in der blauen Livree mit den Verschnürungen in den Farben des Wappens, diese Menge von Abbés und Prälaten in seidenen Mänteln lebte wieder vor ihm auf, brachte wieder ein leidenschaftliches und prächtiges Leben unter die hohen, leeren Plafonds, in das Halbdunkel, das sie mit ihrer wieder erstandenen Pracht erhellten.
    Aber heutzutage, besonders seit dem Einzuge der Italiener in Rom, waren beinahe alle die großen Vermögen der römischen Fürsten zusammengestürzt, und das Gepränge der hohen kirchlichen Würdenträger war verschwunden. Das zu Grunde gerichtete Patriziat entzog sich den geistlichen Aemtern, die schlecht bezahlt waren und mittelmäßigen Ruhm einbrachten; es überließ sie dem Ehrgeiz des Kleinbürgertums. Kardinal Boccanera, der letzte mit dem Purpur bekleidete Fürst aus dem alten Adel, besaß nicht mehr als etwa dreißigtausend Franken um seinen Rang aufrecht zu halten – die zweiundzwanzigtausend Franken seines Gehalts und das, was gewisse andere Funktionen ihm außerdem einbrachten. Er hätte sich auch nie herausgeholfen, wenn Donna Serafina ihm nicht mit den Brosamen des väterlichen Erbes, auf das er einst zu Gunsten seiner beiden Schwestern und seines Bruders verzichtet hatte, beigesprungen wäre. Donna Serafina und Benedetta führten ein Haus für sich, hatten ihre eigene Wirtschaft, ihre eigene Dienerschaft und trugen die Kosten ihrer persönlichen Ausgaben. Der Kardinal hatte bloß seinen Neffen Dario bei sich, gab niemals ein Diner und hielt nie einen Empfang ab. Seine größte Ausgabe war der einzige Wagen, die schwere, zweispännige Karosse, die das Zeremoniell ihm aufnötigte; denn ein Kardinal kann in Rom nicht zu Fuß gehen. Sein Kutscher, ein alter Diener, ersparte ihm auch einen Stallknecht, da er darauf bestand, die Karosse und die beiden gleich ihm in der Familie alt gewordenen Rappen zu versorgen. Außerdem gab es zwei Lakaien, Vater und Sohn; der letztere war im Palaste geboren. Die Frau des Koches half in der Küche aus. Aber die Einschränkung betraf noch mehr die Ehrenvorzimmer und das erste Vorzimmer. Das gesamte, einst so glänzende und zahlreiche Personal war jetzt auf zwei kleine Priester beschränkt: Don Vigilio, den Sekretär, der gleichzeitig auch Auditor und Haushofmeister war, und Abbé Paparelli, den Schleppträger, der auch als Kaplan und Kammerherr diente. Dort, wo einst eine Menge von besoldeten Leuten aller Art kreiste und die Säle mit ihrem Gepränge erfüllte, sah man nichts mehr als zwei geräuschlos hinhuschende schwarze Sutanen, zwei diskrete Schatten, die sich in dem tiefen Dunkel der toten Zimmer verloren.
    Und wie verständlich war Pierre jetzt die hochfahrende Unbekümmertheit des Kardinals, der die Zeit ihr Zerstörungswerk in dem Palast der Ahnen, dem er das glorreiche Leben von einst nicht wiedergeben konnte, vollenden ließ! Das Haus, das für ein solches Leben, für den Hofstaat eines Fürsten aus dem sechzehnten Jahrhundert gebaut wurde, brach jetzt, verlassen und finster, über dem Haupte seines letzten Herrn zusammen; er besaß nicht mehr genug Diener, um es zu füllen, und hätte nicht gewußt, womit der zu den Reparaturen nötige Mörtel gezahlt werden könnte. Warum sollte man also nicht, da die moderne Welt sich feindlich zeigte, da die Religion nicht mehr Königin war, da die Gesellschaft sich geändert hatte und man inmitten des Hasses und der Gleichgiltigkeit der neuen Generationen dem Unbekannten zuging, die alte Welt mit ihrem eigensinnigen Stolz auf ihren uralten Ruhm zu Staub zerfallen lassen? Nur Helden sterben aufrecht, geben nichts von der Vergangenheit auf, bleiben bis zum letzten Hauch demselben Glauben treu, ohne etwas anderes zu besitzen als die schmerzliche Bravour, den unendlichen Schmerz, der langsamen Agonie ihres Gottes beizuwohnen. Und in dem majestätischen Porträt des Kardinals, in seinem so bleichen, so stolzen, so verzweifelten und tapfern Gesicht prägte sich der störrische Wille aus, sich lieber unter den Trümmern des alten sozialen Gebäudes begraben zu lassen, als einen einzigen Stein daran zu ändern.
    Das Rascheln verstohlener Tritte, leises Mäusegetrippel riß den Priester aus seiner Träumerei und bewog

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