Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rom: Band 1

Rom: Band 1

Titel: Rom: Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
Vom Netzwerk:
Literatur.«
    Das Wort machte Pierre betroffen, denn er fühlte dessen ganze verächtliche Ironie, die auch ihn angriff. Er beeilte sich daher, seinen andern Bürgen zu nennen. Er hielt diesen für eine unbestreitbare Autorität.
    »Seine Eminenz der Kardinal Bergerot haben geruht, meinem Werke seine vollste Billigung zu erteilen.«
    Im Nu veränderte sich das Gesicht Boccaneras. Das, was sich darauf malte, war nicht mehr der spöttische Tadel, das Mitleid, welches die unbedachte und im voraus zum Scheitern bestimmte Handlung eines Kindes hervorrufen. Eine Zornesflamme erhellte die düsteren Augen und das ganze Gesicht wurde hart vor Kampflust.
    »Gewiß,« sagte er langsam, »der Kardinal Bergerot steht in Frankreich im Rufe großer Frömmigkeit. Hier in Rom kennen wir ihn wenig. Persönlich habe ich ihn nur einmal gesehen, als er sich den Kardinalshut holen kam. Ich würde mir nicht erlauben, ihn zu kritisiren, wenn in der letzten Zeit nicht seine Schriften und Handlungen meine gläubige Seele betrübt hätten. Ich stehe leider nicht allein; Sie werden hier im heiligen Kollegium niemand finden, der ihn lobt.«
    Er hielt inne und sprach dann in bestimmtem Ton:
    »Der Kardinal Bergerot ist ein Revolutionär.«
    Diesmal machte die Ueberraschung Pierre einen Augenblick stumm. Ein Revolutionär! Großer Gott! Dieser sanfte Seelenhirt mit der unerschöpflichen Nächstenliebe, der nur davon träumte, daß Jesus wieder zur Erde steigen möge, um endlich Gerechtigkeit und Frieden herrschen zu lassen! Die Worte hatten also nicht überall dieselbe Bedeutung? Und in was für eine Religion geriet er, wenn die Religion der Armen und Leidenden eine verdammenswerte, einfach aufrührerische Leidenschaft wurde?
    Er begriff noch nicht klar, fühlte jedoch, daß eine Diskussion unhöflich und nutzlos wäre; er hatte nur noch den Wunsch, sein Buch zu schildern, es zu erklären und zu rechtfertigen. Aber der Kardinal unterbrach ihn gleich bei den ersten Worten.
    »Nein, nein, mein lieber Sohn, das würde zu viel Zeit beanspruchen, auch will ich die Stellen lesen ... Uebrigens gibt es eine unbedingte Regel: jedes Buch, das an den Glauben rührt, ist gefährlich und verwerflich. Respektirt Ihr Buch vollständig das Dogma?«
    »Ich glaube es und beteure Eurer Eminenz, daß ich nicht beabsichtigte, ein Werk der Verneinung zu schaffen.«
    »Das ist recht. Wenn das wahr ist, werde ich auf Ihrer Seite stehen können ... Aber im entgegengesetzten Falle könnte ich Ihnen nur einen Rat geben: nämlich Ihr Werk selbst zurückzuziehen, es zu verwerfen und zu zerstören, ohne abzuwarten, bis die Indexkongregation Sie dazu zwingt. Wer Aergernis gegeben hat, muß es unterdrücken und sühnen, indem er in sein eigenes Fleisch schneidet. Ein Priester hat keine andere Pflicht als Demut und Gehorsam, als die vollständige Erniedrigung seines Ich vor dem höchsten Willen der Kirche. Aber wozu überhaupt schreiben? Denn in der Aeußerung einer eigenen Meinung liegt bereits eine Empörung; immer ist es eine Versuchung des Teufels, die einem die Feder in die Hand drückt. Wozu dem Dünkel des Geistes und der Gewalt nachgeben, um sich der Gefahr der Verdammnis auszusetzen? ... Ihr Buch, mein lieber Sohn, ist mich nur Literatur, Literatur!«
    Er wiederholte dies Wort mit solcher Verachtung, daß Pierre die ganze Not seiner armen Apostelschrift empfand, wenn sie diesem Fürsten, der ein Heiliger geworden, vor Augen kommen würde. Er hörte ihm zu, und, von wachsender Furcht und Bewunderung ergriffen, glaubte er ihn immer höher wachsen zu sehen. »O, der Glaube, mein lieber Sohn, der unbedingte, uneigennützige Glaube, der bloß wegen des Glückes, zu glauben, glaubt! Welche Ruhe, wenn man sich vor den Mysterien beugt, ohne sie erforschen zu wollen, wenn man die ruhige Ueberzeugung hat, daß man mit ihrer Annahme endlich das Gewisse und das Bestimmte besitzt! Ist nicht die vollständigste geistige Befriedigung jene Befriedigung, die das Göttliche gibt, indem es die Vernunft erobert, schult und anhäuft, so daß sie gleichsam ausgefüllt und fortan wunschlos wird? Wenn das Unbekannte nicht durch das Göttliche erklärt wird, so ist für die Menschen ein dauernder Friede nicht möglich. Man muß die Wahrheit und Gerechtigkeit Gott anheimgeben, wenn man will, daß sie auf Erden herrschen sollen. Wer nicht glaubt, ist ein allem Unheil ausgesetztes Schlachtfeld. Nur der Glaube allein befreit und beruhigt.«
    Und Pierre verharrte einen Augenblick schweigend vor

Weitere Kostenlose Bücher